Feststellung des Beschlussergebnisses als Wirksamkeitsvoraussetzung bei Umlaufbeschlüssen (BGH, Urteil vom 1. 12. 1954 – II ZR 285/53)

Da es bei schriftlicher Abstimmung im Einzelfall zweifelhaft sein kann, ob eine echte Abstimmung vorliegt oder nur eine vorläufige Meinungsäußerung, ist das Ergebnis zwar grundsätzlich vom Geschäftsführer festzustellen und allen Gesellschaftern mitzuteilen. Erst hiernach gilt der Beschl. in der Regel als gefaßt.

BGH, Urteil vom 1. 12. 1954 – II ZR 285/53 (München, Zs Augsburg)

Die bekl. GmbH, ein Unternehmen im Landkreis F., ist 1950 gegründet worden. Das Stammkapital wurde von zwölf Gesellschaftern mit insgesamt 59 Stimmen übernommen. Die Abtretung von Gesellschaftsanteilen an Nichtgesellschafter unterlag der Genehmigung der Gesellschafterversammlung; für den Genehmigungsbeschl. war ¾Mehrheit erforderlich (§ 7 Abs. 4 des Gesellschaftsvertrags). In den Fällen der Genehmigung mußte die Genehmigungsurkunde vom Geschäftsführer unterschrieben werden (§ 7 Abs. 5 aaO). Zum Geschäftsführer der Bekl. wurde der Kl., der kein Gesellschafter ist, bestellt. In einer Gesellschafterversammluug erklärten sich alle anwesenden Gesellschafter – sie vertraten Geschäftsanteile mit 44 Stimmen – damit einverstanden, daß der Landkreis F. „Rechtsnachfolger” der Bekl. werde. Der Kl. lehnte die Unterzeichnung des Protokolls ab und erhob Einwendungen gegen die Wirksamkeit des gefaßten Beschl. Am 22. 10. 1952 traten elf Gesellschafter ihre Geschäftsanteile in not. Urkunden an den Landkreis F. ab. Noch am gleichen Tage kamen der übriggebliebene Gesellschafter L. und der gesetzliche Vertreter des Landkreises F. zu einer nicht einberufenen Gesellschafterversammlung zusammen. In dieser Versammlung beschlossen L. und der Landkreis die Abberufung des Kl. als Geschäftsführer aus den in § 12 der Satzung angegebenen Gründen. § 12 sah vor, daß eine Abberufung des Geschäftsführers aus wichtigem Grunde zulässig ist. Ferner wurde die Bestellung neuer Geschäftsführer, die Auflösung der Gesellschaft und die Bestellung der neuen Geschäftsführer zu Liquidatoren beschlossen: Der Beschl. v. 22. 10. 1952 wurde notariell beurkundet und auf Grund der Anmeldung der neuernannten Geschäftsführer noch am gleichen Tage im Handelsreg. eingetragen und bekanntgemacht. Die neubestellten Geschäftsführer teilten dem Kl. seine Abberufung mit und untersagten ihm die weitere Ausübung seiner Tätigkeit als Geschäftsführer. Der Kl., um Ausfertigung der in § 7 Abs. 5 des Gesellschaftsvertrages vorgesehenen Genehmigungsurkunde ersucht, verweigerte sie, da ihm jede Tätigkeit als Geschäftsführer verboten sei. Die Genehmigungsurkunde stellte der Kl. auch dann nicht aus, als die Liquidatoren ihm mitteilten, daß die Erteilung der Genehmigungsurkunde nicht unter das Verbot falle. Am 3. 12. 1952 traten L. und der gesetzliche Vertreter des Landkreises erneut zu einer Gesellschafterversammlung zusammen und wiederholten ihren Beschl. v. 22. 10. 1952. Im März 1953 stellten die Liquidatoren dem Landkreis die angeforderte Genehmigungsurkunde aus. Der Kl. hält die Beschl. der Gesellschafterversammlungen v. 22. 10. 1952 und v. 3. 12. 1952 für nichtig.

Er hat zunächst beantragt festzustellen, daß der Beschl. v. 22. 10. 1952 nichtig und er – der Kl. – nach wie vor Geschäftsführer der Bekl. sei. Das LG hat die Klage abgewiesen. In der BerInstanz ist dem Feststellungsbegehren des Kl., nunmehr erweitert auf Feststellung der Nichtigkeit auch des Beschl. v. 3. 12. 1952, in vollem Umfange entsprochen worden. Die Rev. der Bekl. führte zur Wiederherstellung des LG-Urt.

Aus den Gründen:
Die im allgemeinen lediglich der Formvorschrift des § 15 Abs. 3 GmbHG unterliegende Abtretung von Geschäftsanteilen an Nichtgesellschafter ist im vorl. Fall gem. § 15 Abs. 5 GmbHG durch den Gesellschaftsvertrag an weitere Voraussetzungen geknüpft worden, nämlich an die Genehmigung durch die Gesellschafter Versammlung mit ¾Mehrheit und an die Ausfertigung der Genehmigungsurkunde durch den Geschäftsführer.

Es kann dahingestellt bleiben, ob die nach § 7 Abs. 4 des Gesellschaftsvertrages erforderliche Genehmigung der Gesellschafter zur Abtretung der Geschäftsanteile von elf Gesellschaftern an den Landkreis bereits in der Gesellschafterversammlung v. 30. 9. 1952 wirksam erteilt worden ist. Die vorgeschriebene Genehmigung liegt jedenfalls darin, daß elf Gesellschafter ihre Anteile am 22. 10. 1952 in aufeinanderfolgenden not. Urkunden an den Landkreis abgetreten haben und daß der verbleibende zwölfte Gesellschafter L. noch am gleichen Tage mit dem Erwerber der Anteile zu einer Gesellschafterversammlung zusammengetreten ist, deren not. beurkundete Beschl. die vollzogene Übernahme der Anteile zum Ausgangspunkt nehmen. Beschl. der Gesellschafter werden zwar grundsätzlich in einer Gesellschafterversammlung gefaßt (§ 48 Abs. 1 GmbHG). Der Abhaltung einer Versammlung bedarf es nicht, abgesehen von Fällen einer Satzungsänderung (§ 53 Abs. 2 GmbHG), dann nicht, wenn sich sämtliche Gesellschafter mit der zu treffenden Bestimmung schriftlich einverstanden erklären (§ 48 Abs. 2 GmbHG). Die Möglichkeit schriftlicher Abstimmung ist allerdings nur gegeben, wenn sie vom Gesellschaftsvertrag nicht ausgeschlossen wird (§ 45 Abs. 2 GmbHG). Die Auslegung des Gesellschaftsvertrages, die das RevGer. insoweit ungehindert vornehmen kann, als er körperschaftsrechtliche Fragen satzungsmäßig regelt (vgl. Urt. d. erk. Sen. v. 9. 6. 1954 – II ZR 70/53 = BGHZ 14, 25 = NJW 54, 1401), ergibt jedoch, daß eine von § 48 Abs. 2 GmbHG abweichende Bestimmung nicht getroffen worden ist. Wenn auch der Gesellschaftsvertrag entsprechend dem Grundsatz des § 48 Abs. 1 GmbHG ausdrückt, nur die Beschlußfassung der Gesellschafter in der Gesellschafterversammlung regelt, so kann daraus allein nicht entnommen werden, daß eine schriftliche Abstimmung auch in den Fällen des § 48 Abs. 2 GmbHG ausgeschlossen sein sollte. Für eine derartige Einschränkung hätte es entweder einer ausdrücklichen Bestimmung oder wenigstens zusätzlicher Anhaltspunkte bedurft, die der Gesellschaftsvertrag jedoch nicht enthält. Die hiernach mögliche schriftliche Abstimmung konnte auch durch schlüssige Erklärung erfolgen. Es ist anerkannten Rechts, daß ein gültiger Gesellschafterbeschl. auf Auflösung der Gesellschaft dann zustande kommt, wenn der von einem Gesellschafter unterschriebene, an die Registerbehörde gerichtete Antrag auf Eintragung der Auflösung den anderen Gesellschaftern übersandt und von diesen gleichfalls unterschrieben wird (RGZ 101, 78; Hachenburg, GmbHG § 48 Anm. 13; Baumbach-Hueck, GmbHG § 48 Erl. 20). Nichts anderes kann gelten, wenn die Gesellschafter – wie im vorl. Fall – ihr einstimmiges Einverständnis mit der Veräußerung von Geschäftsanteilen einerseits durch Vollzug der Abtretung, andererseits durch schlüssige Zustimmung hierzu zu erkennen geben. Das hierin liegende Abstimmungsergebnis bedurfte auch keiner Feststellung durch den Geschäftsführer und anschließender Mitteilung an die einzelnen. Gesellschafter. Da es bei schriftlicher Abstimmung im Einzelfall zweifelhaft sein kann, ob eine echte Abstimmung vorliegt oder nur eine vorläufige Meinungsäußerung, ist das Ergebnis zwar grundsätzlich vom Geschäftsführer festzustellen und allen Gesellschaftern mitzuteilen. Erst hiernach gilt der Beschl. in der Regel als gefaßt (Baumbach-Hueck, GmbHG § 48 Erl. 2 C; Scholz, GmbHG § 48 Anm. 11; Vogel, GmbHG § 48 Anm. 4). Dieser Grundsatz kann aber nur dann gelten, wenn überhaupt an dem Wesen oder dem Ergebnis der Abstimmung Zweifel auftauchen können. Eine Mitwirkung des Geschäftsführers im vorbezeichneten Sinn kann daher kein Erfordernis für die Wirksamkeit eines im Wege schriftlicher Abstimmung gefaßten Beschl. bilden, wenn eine einstimmige, eindeutige und offensichtlich endgültige Willenskundgebung der Gesellschafter vorliegt.

Bei dieser Sachlage kann es entgegen der Auffassung des BerGer. für die Wirksamkeit des Genehmigungsbeschl. auch nicht auf das Fehlen der vom Kl. als Geschäftsführer nach § 7 Abs. 5 des Gesellschaftsvertrages zu unterzeichnenden Genehmigungsurkunde ankommen. Es kann dahingestellt bleiben, ob dann, wenn für die Erteilung der Abtretungsgenehmigung durch die Satzung eine über § 15 Abs. 3 GmbHG hinausgehende Form vorgeschrieben worden ist, der Mangel dieser Form im Zweifel Nichtigkeit des Genehmigungsbeschl. gem. § 125 BGB herbeiführt (OGH, NJW 50, 347; Baumbach-Hueck, GmbHG § 15 Erl. 5 C) oder ob eine solche Bestimmung, abgesehen von den Fällen des § 17 GmbHG, im Zweifel nicht mehr zu bedeuten hat als eine Ordnungsvorschrift (Brodmann, GmbHG § 15 Erl. 5 d). Insbes. bedarf es in diesem Zusammenhang auch keiner Prüfung, inwieweit sich aus dem Erfordernis der Genehmigung durch die Gesellschafterversammlung allgemein die Notwendigkeit einer besonderen Willenserklärung des Geschäftsführers ergibt (vgl. OGH, aaO). Die Ausfertigung der Genehmigungsurkunde durch den Geschäftsführer kann jedenfalls dann keine Voraussetzung für die Wirksamkeit der von den Gesellschaftern beschlossenen Genehmigung sein, wenn der Genehmigungsbeschluß einstimmig gefaßt und dem Erwerber mitgeteilt worden ist. Unter solchen Umständen wäre es eine Überspannung der an die Förmlichkeit gesellschaftsrechtlicher Akte zu stellenden Anforderungen, überhaupt eine besondere Erklärung der Genehmigung zu verlangen (Brodmann, aaO; vgl. auch RFH, JW 29, 2205). Eine solche Forderung würde dazu führen, daß der Kl. die Möglichkeit hätte, das Wirksamwerden von Genehmigungsbeschlüssen der Gesellschafter durch eine offensichtlich unberechtigte Weigerung, die Genehmigungserklärung auszufertigen, eigenwillig hinauszuschieben. Das wäre entgegen der von Hachenburg in seiner Anm. zu der angeführten Entsch. des RFH vertretenen Meinung ein Ergebnis, das gerade der Organstellung des Geschäftsführers nicht gerecht würde. Diese Erwägungen sind auch für den vorl. Fall maßgebend. Die Gesellschafter der Bekl. hatten die Abtretung der Geschäftsanteile an den Landkreis einstimmig genehmigt und die Vollziehung des Gesellschafterwechsels unter Mitwirkung des Landkreises eingeleitet. Es war daher nichts ersichtlich, was den ernstlichen und übereinstimmenden Willen der Gesellschafter im Hinblick auf den gefaßten Beschl. und die Kenntnis des Erwerbers hiervon hätte in Frage stellen können. Bei dieser Sachlage bestand für den Kl. keine Möglichkeit, zur endgültigen Gestaltung des Genehmigungsbeschl. durch eine irgendwie geartete eigene Willensentscheidung verantwortlich beizutragen. Noch viel weniger war er in der Lage, sich dem gefaßten Beschl. zu widersetzen. Er war vielmehr nach dem Gesellschaftsvertrag ohne weiteres verpflichtet, die Genehmigungsurkunde auszufertigen. Es lag für den Kl. auch offen zutage, daß er die Ausstellung der Urkunde angesichts der unter den Gesellschaftern erzielten Einmütigkeit nicht verweigern konnte, ohne seine Abberufung geradezu herauszufordern. Unter diesen Umständen kann das Fehlen der Genehmigungsurkunde die Nichtigkeit des Genehmigungsbeschl. nicht zur Folge haben. Anders könnten die Dinge liegen, wenn für die Genehmigung nur die satzungsgemäße Mehrheit gestimmt hätte oder wenn aus anderen Gründen Zweifel an dem Zustandekommen des Beschl. oder an seinem Inhalt möglich wären. In einem solchen Fall würde dem Geschäftsführer gerade auch im Interesse der Gesellschafter möglicherweise eine Verpflichtung zur verantwortlichen Klarstellung obliegen, deren Erfüllung eine Voraussetzung für die Wirksamkeit des Genehmigungsbeschl. bilden könnte. Dies bedarf jedoch nicht der Entscheidung.

Wenn hiernach auch der Übergang der Geschäftsanteile auf den Landkreis rechtswirksam genehmigt worden war, so hatte dieser doch am 22. 10. 1952 deswegen die Rechtsstellung als Gesellschafter der Bekl. noch nicht erlangt, weil ihm zu diesem Zeitpunkt die erforderliche rechtsaufsichtliche Genehmigung der Regierung noch nicht erteilt worden war. Diese Genehmigung ist auch für die genehmigungspflichtigen Geschäfte des bürgerlichen rechtswirksamkeitsvoraussetzung (Art. 103 Abs. 2 Bayer. LandkreisO v. 16. 2. 1952 – BayGVBl. S. 39). Außerdem fehlte es am 22. 10. 1952 noch an der durch § 16 GmbHG vorgeschriebenen Bekanntmachung der Anteilsübernahme an die Bekl., ohne die der Landkreis jedenfalls seine erworbenen Gesellschafterrechte darunter auch das Stimmrecht, nicht ausüben dürfte (Baumbach-Hueck, GmbHG § 16 Erl. 3 B; Scholz, GmbHG § 16 Anm. 20). Die rechtsaufsichtliche Genehmigung wurde erst am 14. 11. 1952 erteilt. Die Anmeldung der Anteilsübernahme durch den Landkreis erfolgte erst durch Schreiben an den Kl. v. 24. 11. 1952. Ob der Nachholung der beiden Erfordernisse rückwirkende Kraft zukommt oder jedenfalls zur Heilung des Beschl. der Gesellschafterversammlung v. 22. 10. 1952 führt, kann dahingestellt bleiben, weil dieser Beschl. von den an seiner Abfassung beteiligten Personen am 3. 12. 1952 unter Wahrung der vorgeschriebenen Form wiederholt worden ist. Zu diesem Zeitpunkt waren alle Voraussetzungen für den Übergang der Gesellschafterrechte auf den Landkreis erfüllt. Der Landkreis bildete daher mit dem übriggebliebenen alten Gesellschafter L. eine Vollversammlung, die auch bei Einberufungsmängeln wirksame Beschl. fassen konnte (Scholz, GmbHG § 51 Anm. 10). Der Beschl. v. 3. 12. 1952 ist daher vollinhaltlich gültig.

Bei dieser Sachlage kommt es aber auf die Wirksamkeit des Beschl. der Gesellschafterversammlung v. 22. 10. 1952 nicht an. Selbst wenn dieser Beschl. nichtig wäre, könnte der Kl. aus ihm im Hinblick auf den gültigen Wiederholungsbeschl. für das mit der Klage verfolgte Ziel nichts herleiten. Dem Kl. fehlt daher für sein Begehren auf Feststellung der Nichtigkeit des Beschl. v. 22. 10. 1952 das Rechtsschutzbedürfnis (Baumbach-Hueck, GmbHG § 47 Anh. Erl. 3 C a).

Aus der Gültigkeit des Beschl. v. 3. 12. 1952 folgt auch die Wirksamkeit der in ihm enthaltenen Abberufung des Kl. als Geschäftsführer. Die Abberufung war begründet. Der Abberufungsbeschl. nimmt auf § 12 des Gesellschaftsvertrages Bezug. Hiernach konnte die Abberufung allgemein aus wichtigem Grunde erfolgen. Ein solcher Grund lag ohne weiteres darin, daß der Kl. sich der von allen Gesellschaftern beschlossenen Übernahme der Gesellschaft durch den Landkreis widersetzte. Als wichtiger Grund für die Abberufung ist insbes. anzusehen, daß der Kl. die Gesellschaftereigenschaft des Hauptgesellschafters noch im gegenwärtigen Zeitpunkt ernstlich bestreitet, und zwar offensichtlich nicht überwiegend aus sachlichen Gründen, sondern um sich seine durch den Gesellschafterwechsel bedrohte Stellung als Geschäftsführer zu erhalten. Auch der auf Feststellung, daß der Kl. nach wie vor Geschäftsführer der Bekl. sei, gerichtete Klageantrag – der sich übrigens nur auf die Organstellung, nicht auf das Anstellungsverhältnis des Kl. bezieht – ist somit unbegründet.

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