Ladungsfrist nach § 51 GmbHG auch für Stimmfrist für Umlaufbeschluss maßgeblich (LG Hamburg, Beschluss vom 09.06.2020 – Aktenzeichen 412 HKO 78/20)
Leitsätze:
- Bei Umlaufbeschlüssen nach § 2 COVMG, für welche nicht das Einverständnis aller Gesellschafter vorliegt, sind für die Wirksamkeit einer kontroversen Beschlussfassung Mindestfristen einzuhalten, die sich an der Wochenfrist für die Einberufung der Gesellschafterversammlung bzw. einer etwaigen längeren satzungsmäßigen Einberufungsfrist orientieren.
- Die Wirksamkeit der Beschlussfassung hängt davon ab, dass ein Stimmverbot vorliegt. Das ist nur der Fall, wenn tatsächlich ein wichtiger Grund dafür in der Person des Gesellschafters besteht. Es ist im Allgemeinen nicht gerechtfertigt, dass der betroffene Gesellschafter aufgrund der bloßen Behauptung der Voraussetzungen eines wichtigen Grundes Nachteile erleidet.
Tenor
1. Der Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Verfügung unter Androhung eines Ordnungsgeldes bis zu zweihundertfünfzigtausend Euro oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten – Ordnungshaft auch für den Fall, dass das Ordnungsgeld nicht beigetrieben werden kann – wegen jeder Zuwiderhandlung
untersagt,
den gemäß E-Mail der Antragsgegnerin vom 8. Juni 2020, 14.47 Uhr, an den Antragsgegner (Anlage ASt 11) festgestellten Umlaufbeschluss zum Ausschluss des Gesellschafters J. S. und zur Übertragung seiner Geschäftsanteile mit den Nrn. 25.001 bis 26.500 und 31.351 bis 36.200 im Nennbetrag von insgesamt EUR 6.650,00 an die Antragsgegnerin als wirksam zu behandeln,
bis darüber rechtskräftig entschieden wurde;
dieses Verbot umfasst insbesondere die Einreichung einer Gesellschafterliste beim Amtsgericht Hamburg nach welcher der Antragsteller nicht mehr Gesellschafter der Antragsgegnerin ist.
2. Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Der Streitwert wird auf 50.000,00 € festgesetzt.
4. Mit dem Beschluss ist zuzustellen: Antragsschrift vom 09.06.2020
Gründe
Die Verfügung ergeht als Regelungsverfügung nach den §§ 936, 940 ZPO. Dementsprechend wurde der Tenor nicht als Gebotsverfügung, sondern als Verbotsverfügung formuliert.
Wegen des Sachverhaltes wird zunächst auf die Antragsschrift vom 09.06.2020 sowie die damit vorgelegten Unterlagen Bezug genommen.
Die glaubhaft gemachte Darstellung des Antragstellers begründet erhebliche Zweifel an der Wirksamkeit der Beschlussfassung in formeller und materieller Hinsicht.
Soweit die Stimme des Antragsstellers für die Beschlussfassung als verspätet abgegeben gewertet werden sollte, wäre eine darauf beruhende Beschlussfassung unwirksam.
Bei Umlaufbeschlüssen nach § 2 COVMG (Gesetz zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht, BGBl. I 2020 S. 569), für welche nicht das Einverständnis aller Gesellschafter vorliegt, sind für die Wirksamkeit einer kontroversen Beschlussfassung Mindestfristen einzuhalten, die sich an der Wochenfrist für die Einberufung der Gesellschafterversammlung (§ 51 GmbHG) bzw. einer etwaigen längeren satzungsmäßigen Einberufungsfrist orientieren (vgl. Seulen/Heinrichs, DB 2020, 1225). Bei einer Absendung der Ladung am Freitag, den 29.5.2020, hätte eine Beschlussfassung in einer außerordentlichen Gesellschafterversammlung erst am Dienstag, den 9. Juni 2020, erfolgen können. Selbst wenn die Nein-Stimme des Antragstellers also am 5.6.2020 bei der Gesellschaft eingegangen sein sollte, hätte sie berücksichtigt werden müssen. Das im Gesellschaftsvertrag vereinbarte Einstimmigkeitsgebot hätte – soweit kein Ausnahmetatbestand vorliegt – zur Ablehnung des Beschlusses geführt.
In materieller Hinsicht hängt die Wirksamkeit der Beschlussfassung davon ab, dass ein Stimmverbot gemäß den §§ 47 IV GmbHG bzw. 10 I 1d der Satzung vorliegt. Das ist nur der Fall, wenn tatsächlich ein wichtiger Grund dafür in der Person des Gesellschafters besteht. Diese Frage ist als offen anzusehen. Es ist im Allgemeinen nicht gerechtfertigt, dass der betroffene Gesellschafter aufgrund der bloßen Behauptung der Voraussetzungen eines wichtigen Grundes Nachteile erleidet. Vor der Umsetzung derartiger Beschlüsse sind die Gesellschafter in der Regel gehalten, die gerichtliche Klärung abzuwarten. Das gilt insbesondere im Hinblick auf die Möglichkeiten, nach Einreichung einer geänderten Gesellschafterliste die streitbefangenen Anteile an einen Dritten zu veräußern.
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