Unwirksame Vorstandskündigung durch Aufsichtsratsvorsitzenden mangels Vollmachtsnachweis (OLG Düsseldorf, Urteil vom 17. 11. 2003 - I-15 U 225/02)

Leitsätze:

  1. Liegt dem Kündigungsschreiben des Aufsichtsratsvorsitzenden gegenüber einem Vorstandsmitglied weder der Aufsichtsratsbeschluss noch eine Vollmachtsurkunde in Urschrift bei, kann die Abberufungs- und Kündigungserklärung vom Erklärungsempfänger analog § 174 S. 1 BGB zurückgewiesen werden.
  2. Der Aufsichtsratsvorsitzende, der nur den erklärten Willen des Aufsichtsrats übermittelt, ist mangels eigener Willensbildung zwar kein Stellvertreter i.S. der §§ 164 ff. BGB, doch handelt er auf Grund seiner Ermächtigung durch den Aufsichtsratsbeschluss bei Kundgabe des Aufsichtsratsbeschlusses in Ausübung der vom Aufsichtsratsplenum abgeleiteten Vertretungsmacht, die eine entsprechende Anwendung des § 174 Abs. 1 BGB rechtfertigt.

Sachverhalt

I. Die Bekl. ist eine AG, die sich mit der Beratung, Schulung, Herstellung und dem Vertrieb von Kommunikationssystemen befasst. Der Kl. ist auf der Grundlage eines zwischen den Parteien am 23. 2. 2001 abgeschlossenen Dienstvertrages seit dem 1. 4. 2001 als Vorstand der Bekl. zu einem jährlichen Bruttogehalt von 120000 EUR, zahlbar in zwölf gleichen Monatsraten jeweils am Ende eines Monats, bei dieser angestellt. Ausweislich § 9 des abgeschlossenen Dienstvertrages endet das Dienstverhältnis fristgemäß am 28. 3. 2005 (Abs. 1), wobei das Recht zur fristlosen Kündigung aus wichtigem Grund durch beide Seiten unberührt blieb (Abs. 2). Die Bekl. war berechtigt, den Kl. während der Laufzeit des Dienstvertrages von weiterer Tätigkeit für die Gesellschaft unter Fortzahlung seiner Bezüge freizustellen, insbesondere im Fall seiner Abberufung als Vorstand (Abs. 3). Ferner bedurfte jede Kündigung der Schriftform (Abs. 4). Die Gewinn- und Verlustrechnung der Bekl. für das Rumpfgeschäftsjahr vom 1. 1. bis zum 30. 9. 2000 wies per 30. 9. 2000 einen Jahresfehlbetrag von 99337,09 DM aus. Die Gewinn- und Verlustrechnung der Bekl. für die Zeit vom 1. 10. 2000 bis zum 20. 9. 2001 schloss mit einem Jahresfehlbetrag von gerundet 9387000,00 DM unter Berücksichtigung des Verlustvortrags aus dem Vorjahr. Grund für das schlechte Geschäftsergebnis war ausweislich des Lageberichts des Vorstands der Bekl., dass der für 2001 geplante Börsengang nicht realisiert werden konnte, so dass erforderliche Mittel nicht zur Verfügung standen, insbesondere im Bereich i-integration keine Umsätze erzielt werden konnten. Zum Bewertungsstichtag 30. 9. 2001 waren damit unter Berücksichtigung einer Kapitalrücklage von 162000 DM nur noch rund 25% des gezeichneten Kapitals (= 3145000, DM) vorhanden. Gemäß dem Bericht des Vorstands der Bekl. an deren Aufsichtsrat für das I. Quartal des Geschäftsjahres 2001/2002, erzielte die Bekl. in den Monaten Oktober bis Dezember 2001 einen Verlust von 812000, DM. Für die Monate Januar bis Mai 2002 wurden weitere Verluste von 2763000 DM erwartet, so dass bei Eintritt der erwarteten Verluste (3575000 DM) spätestens im Lauf des April 2002 das gesamte Kapital der Gesellschaft verbraucht und diese ab diesem Zeitpunkt zumindest bilanziell überschuldet sein würde. Zur Sicherstellung und zur Vermeidung einer Zahlungsunfähigkeit beabsichtigte die Bekl. die Aufnahme eines Darlehens über 500000 EUR. Per 30. 9. 2001 beschäftigte die Bekl. insgesamt 61 Mitarbeiter. Diese teilten sich wie folgt auf: 4 Vorstände, 10 leitende Angestellte, 38 übrige Angestellte, 6 Aushilfen und 3 Auszubildende. Gemäß einem Aufhebungsvertrag vom 21. 9. 2001 schied der Betriebsvorstand mit Wirkung zum 30. 9. 2001 aus der Bekl. aus. Am 12. 2. 2002 beschloss der Aufsichtsrat der Bekl. im Umlaufverfahren, die Bruttobezüge der Mitglieder des Vorstands gem. § 87 II AktG mit Wirkung vom 15. 2. 2002 bis zum 30. 9. 2002 um 50% herabzusetzen. Ausweislich des vom Aufsichtsratsvorsitzenden unterzeichneten Protokolls über Beschlussfassungen des Aufsichtsrats der Bekl. im Wege des Umlaufsverfahrens wurde hierbei der Aufsichtsratsvorsitzende ermächtigt, gegenüber den Mitgliedern des Vorstands der Bekl. die Herabsetzung der Bezüge zu erklären und sie aufzufordern, bei der nächsten Auszahlung der Bezüge entsprechende Kürzungen vorzunehmen. Daraufhin wurden dem Kl. (verheiratet, zwei Kinder, 750 EUR Freibetrag) der im Januar bei einem monatlichen Bruttogehalt von 10000 EUR (ohne Sachbezug PKW) nach Abzug der Steuern noch 7283,02 EUR ausgezahlt erhalten hatte, für Februar 2002 nur noch 6058,38 EUR (brutto 7500 EUR ohne Sachbezug PKW) und für März und April 2002 jeweils 4594,29 EUR (brutto 5000 EUR ohne Sachbezug PKW) ausgezahlt. Von der Herabsetzung seiner Bezüge wurde der Kl. vom Aufsichtsratsvorsitzenden der Bekl. mit E-Mail vom 14. 2. 2002 unterrichtet. Dem widersprach der Kl. mit E-Mail vom 25. 2. 2002 unter Hinweis darauf, dass die Herabsetzung der Vorstandsbezüge in Bezug auf seine Person unangemessen sei, zumal sie dazu führe, dass nunmehr Mitarbeiter unterhalb der Vorstandsebene teilweise eine höhere Vergütung erzielten als er. Am 19. 5. 2002 fasste der Aufsichtsrat der Bekl. im Umlaufverfahren einstimmig den Beschluss, die Bestellung des Kl. als Mitglied des Vorstands mit sofortiger Wirkung aus wichtigem Grund zu widerrufen und das Dienstverhältnis aus wichtigem Grund fristlos zu kündigen. Hilfsweise wurde der Kl. mit sofortiger Wirkung von jeder etwaigen Dienstverpflichtung gegenüber der Bekl. freigestellt. Der Vorsitzende des Aufsichtsrats wurde ermächtigt und gebeten, dem Kl. die Beschlüsse betreffend seiner Abberufung als Vorstand und die Kündigung seines Dienstverhältnisses schnellst möglich bekannt zu geben und diesen aufzufordern, alle Schlüssel zu den Räumen der Gesellschaft, die ihm überlassenen Mobiltelefone und tragbaren Computer unverzüglich herauszugeben und die Dienstfahrzeuge samt Papieren und Schlüssel bei der Gesellschaft abzugeben. Der Vorsitzende des Vorstands und allein verbleibende Vorstand L wurde ermächtigt, dem als Vorstand abberufenen Kl. ab sofort den Zugang zu den Räumen und zu den Unterlagen der Gesellschaft unmöglich zu machen. Mit Schreiben des Aufsichtsratsvorsitzenden vom 21. 5. 2002, welches dem Kl. am 22. 5. zuging, sprach dieser dem Kl. gegenüber die fristlose Kündigung des Dienstvertrages aus. In diesem Schreiben teilte der Aufsichtsratsvorsitzende dem Kl. unter Bezugnahme auf den auszugsweise mitgeteilten Wortlaut des vom Aufsichtsrat im Umlaufverfahren gefassten Beschlusses mit, dass ihn der Aufsichtsrat durch einstimmigen Beschluss ermächtigt habe, dem Kl. gegenüber den Widerruf von seiner Bestellung als Vorstand sowie die Kündigung seines Dienstverhältnis zu erklären. Dem Kündigungsschreiben war weder eine Kündigungsvollmacht des Aufsichtsrats, noch eine vollständige Ausfertigung des im Umlaufverfahren am 19. 5. 2002 gefassten Beschlusses noch ein Protokoll über den im Umlaufverfahren gefassten Aufsichtsratsbeschluss beigefügt. Mit anwaltlichen Schreiben vom 24. 5. 2002 wies der Kl. die Kündigung u.a. unter Hinweis darauf zurück, dass dem Kündigungsschreiben keine Vollmacht beigelegen habe. Der Kl. erhielt sodann von der Bekl. für Mai 2002 ausgehend von einem Bruttogehalt von 3548,39 EUR (ohne Sachbezug PKW) noch 3383,02 EUR ausgezahlt. Weitere Gehaltszahlungen der Bekl. erfolgten danach nicht mehr. Der Kl. ist der Rechtsauffassung, dass sowohl die Herabsetzung seiner Vorstandsbezüge als auch die von der Bekl. ausgesprochene fristlose Kündigung seines Dienstverhältnisses unbegründet sei. Mit der vorliegenden Klage nimmt der Kl. die Bekl. für den Zeitraum vom 15. 2. bis zum 31. 7. 2002 auf Erstattung des Differenzbetrages in Höhe von insgesamt 38951,61 EUR zwischen der vertraglich vereinbarten monatlichen Bruttovergütung von 10000 DM und der tatsächlich geleisteten Bruttovergütung, jeweils unter Außerachtlassung des Sachbezugs in Anspruch.

Das LG hat der Klage in Höhe eines Teilbetrages von 11451,61 EUR nebst 5% Zinsen über dem jeweiligen Basiszins aus 1486,28 EUR seit dem 1. 7. 2002, aus 4869,30 EUR seit dem 1. 7. 2002 und aus 4869,30 EUR seit dem 1. 8. 2002 stattgegeben und diese im Übrigen abgewiesen. Zur Begründung hat das LG, auf dessen tatsächlich getroffene Feststellungen gem. § 540 I Nr. 1 ZPO im Übrigen Bezug genommen wird, ausgeführt, dass die von dem Aufsichtsratsvorsitzenden der Bekl. ausgesprochene fristlose Kündigung schon aus formellen Gründen unwirksam sei, weil dem Kündigungsschreiben keine auf den Aufsichtsratsvorsitzenden lautende Kündigungsvollmacht des Aufsichtsrats beigefügt gewesen sei. Darauf dass der Aufsichtsratsvorsitzende der geborene Erklärungsvertreter des Aufsichtsrats sei, könne sich die Bekl. nicht berufen, weil der Kl. auf Grund des Kündigungsschreibens des Aufsichtsratsvorsitzenden nicht hätte sicher sein können, dass der behaupteten Ermächtigung des Aufsichtsratsvorsitzenden zur Abgabe der fristlosen Kündigungserklärung ein wirksamer Aufsichtsratsbeschluss zu Grunde gelegen habe. Demgegenüber sei die Herabsetzung der Bezüge für den hier streitgegenständlichen Zeitraum vom 15. 2. bis 31. 7. 2002 gerechtfertigt, weil nach Abschluss des Dienstvertrages mit dem Kl. eine so wesentliche Verschlechterung in den wirtschaftlichen Verhältnissen der Bekl. eingetreten sei, dass für die Bekl. die Weitergewährung der Vergütung in der vertraglich vereinbarten Höhe eine schwere Unbilligkeit bedeuten würde. Gegen dieses ihnen am 31. 10. 2002 zugestellte Urteil haben beide Parteien fristgemäß Berufung eingelegt. Mit ihren Berufungen verfolgen sie ihre erstinstanzlich zurückgewiesenen Anträge weiter. Zusätzlich begehrt die Bekl. von dem Kl. im Wege der Widerklage die Rückerstattung der von ihr an den Kl. auf Grund des erstinstanzlichen Urteils zur Vermeidung der Zwangsvollstreckung gezahlten 11719,50 EUR.

Die Berufung des Kl. hatte teilweise Erfolg. Demgegenüber blieb die Berufung der Bekl. sowie die von ihr erhobene Widerklage erfolglos.

Aus den Gründen:

Die gegenüber dem Kl. mit Schreiben des Aufsichtsratsvorsitzenden der Bekl. vom 21. 5. 2002 ausgesprochene fristlose Kündigung ist unwirksam, mit der Folge, dass trotz erfolgter Abberufung des Kl. als Vorstand der zwischen dem Kl. und der Bekl. abgeschlossene Dienstvertrag fortbesteht. Mit Recht hat das LG die vom Aufsichtsratsvorsitzenden ausgesprochene fristlose Kündigung als einseitiges Rechtsgeschäft qualifiziert, auf das die Vorschrift des § 174 S. 1 BGB Anwendung findet. Danach ist ein Rechtsgeschäft, das ein Bevollmächtigter einem anderen gegenüber abgibt, unwirksam, wenn der Bevollmächtigte – wie hier – eine Vollmachtsurkunde nicht vorlegt und der andere das Rechtsgeschäft aus diesem Grund unverzüglich zurückweist. Auf die zwischen den Parteien im Übrigen streitige Frage, ob die ausgesprochene Kündigung materiell gerechtfertigt war, kommt es bei dieser Sachlage nicht an. Im Einzelnen gilt folgendes:

Die Kündigung des Dienstvertrages eines Vorstandsmitglieds einer AG kann nach §§ 112, 84 III 5 AktG wirksam nur von dem Aufsichtsrat ausgesprochen werden. Denn für Abschluss, Änderung oder Aufhebung des Anstellungsvertrags des Vorstands einer AG ist regelmäßig der Aufsichtsrat zuständig. Hierbei wird der Aufsichtsrat nicht schon von Gesetzes wegen durch den Aufsichtsratsvorsitzenden vertreten. Die einheitliche Vertretung der Aktiengesellschaft gegenüber ihrem Vorstand durch den Aufsichtsrat beruht auf der erforderlichen Parallelität von Bestellungs- und Anstellungszuständigkeit (so genannte Annexkompetenz). Das Aktiengesetz trägt diesem Erfordernis dadurch Rechnung, dass es in § 84 I 5 AktG anordnet, dass für den Anstellungsvertrag die Regelungen über die Bestellung in § 84 I AktG sinngemäß gelten (Wiesner, in: Münchner Hdb. des GesR, Bd. 4, 2. Aufl. [1999], § 21 Rdnr. 15). Entsprechendes gilt für die Abberufung des Vorstands und die Beendigung seines Anstellungsverhältnisses sowie für dessen Änderung (Hüffer, in: AktG, 5. Aufl. [2002], § 84 Rdnr. 38; BGH, NJW 1984, 733 [734]). Diese originär organschaftliche Vertretungsbefugnis kann der Aufsichtsrat zwar im Rahmen des nach § 107 III AktG Zulässigem an Ausschüsse delegieren, nicht aber an einzelne Aufsichtsratsmitglieder, an den Aufsichtsratsvorsitzenden, an Dritte oder an den Vorstand und seine Mitglieder (BGH, NJW-RR 1993, 1250 = WM 1993, 1630; OLG Stuttgart, NJW 1964, 1367 = BB 1992, 1669; Stein, AG 1999, 28 [33f., 39f.]).

Von dieser organschaftlichen Vertretungsbefugnis ist die Erklärungsvertretung des Organs bei der Kundgabe der Aufsichtsrats- oder Ausschussbeschlüsse zu unterscheiden. Ausgehend davon, dass es sich bei Beschlüssen des Aufsichtsrats über Abberufung und Kündigung eines Vorstandsmitglieds nicht um bloß interne Willensäußerungen zwischen verschiedenen Gesellschaftsorganen, sondern um so genannte „Sozialakte” handelt, die der nach außen gerichteten Erklärung im Namen der Gesellschaft bedürfen, ist zwischen der internen Entscheidungszuständigkeit/Willensbildung des Aufsichtsrats und der Kundgabe des erklärten Willens des Aufsichtsrats im Außenverhältnis zu dem Vorstand zu unterscheiden (Hüffer, in: Festschr.f. Claussen, 1997, S. 171 [183]). Während die Beschlussfassung des Aufsichtsrats die gesellschaftsinterne Willensbildung betrifft, erlangt dieser Wille erst durch Erklärung gegenüber dem Vorstand, der insofern als außenstehender Dritter anzusehen ist, rechtliche Wirkung für und gegen die Gesellschaft. Erst mit dem „Vollzug” des Beschlusses gegenüber dem Vorstand wird die Gesellschaft im nach außen gerichteten Rechtsverkehr berechtigt und verpflichtet (BGH, NJW-RR 1993, 1250).

Zu diesem Zweck kann der Aufsichtsrat einzelne Personen ermächtigen, seinen Beschluss dem betroffenen Vorstandsmitglied zu übermitteln. Er kann darüber hinaus den mit der Übermittlung Beauftragten mit weiteren Befugnissen ausstatten, die es diesem ermöglichen, gegenüber dem Vorstand im Namen der Gesellschaft aufzutreten. Der Aufsichtsrat überträgt dabei lediglich die Kundgabe seines Willens, den er durch Beschluss gebildet hat, auf einen „besonderen Vertreter”, der dann seinerseits die erforderlichen Rechtshandlungen gegenüber dem Vorstand im Namen des Aufsichtsrats vornimmt (BGHZ 41, 282 [285] = NJW 1964, 1367; Hüffer, in: AktG, § 84 Rdnr. 38 und Hüffer, in: Festschr.f. Claussen, S. 183; Wiesner, in: Münchner Hdb. des GesR, § 21 Rdnr. 71; Geßler, in: Geßler/Hefermehl/Eckard/Kropff, AktG, Bd. 2 [1973], § 112 AktG Rdnrn. 14ff.).

Was nun die hier in Rede stehende Ermächtigung des Aufsichtsratsvorsitzenden der Bekl. zur Übermittlung und rechtsgeschäftlichen Umsetzung des von ihrem Aufsichtsrat am 19. 5. 2002 gefassten Kündigungsbeschlusses in Bezug auf den Kl. anbelangt, so reicht für die Annahme einer Ermächtigung die bloße Stellung als Aufsichtsratsvorsitzender der Bekl. allein noch nicht aus. Der Senat folgt im Ergebnis der insoweit im Schrifttum überwiegend vertretenen Rechtsauffassung, wonach auch der Aufsichtsratsvorsitzende einer gesonderten Ermächtigung bedarf, die ihm zum Beispiel durch die Satzung der Aktiengesellschaft, die – hier fehlende – Geschäftsordnung des Aufsichtsrats oder im Einzelfall durch den Beschluss des Aufsichtsrats erteilt werden kann (Hoffmann-Becking, in: Münchner Hdb. des GesR, Bd. 4, 2. Aufl. [1999], § 31 Rdnr. 87; Hüffer, § 112 Rdnr. 5; Geßler, in: Geßler/Hefermehl, AktG, § 112 Rdnrn. 14ff.; a.A. Mertens, in: Kölner Komm. z. AktR, 2. Aufl. [1997], § 107 Rdnr. 47 und § 78 Rdnr. 5: „Soweit der Beschluss nichts Besonderes bestimmt, gilt konkludent derjenige als bevollmächtigt, dem die Abwicklung des Beschlusses obliegt” und ders., AG 1981, 216 [218]; Stein, AG 1999, 28 [31f., 39f.]). Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung über die einheitliche Zuständigkeit des Aufsichtsrats für Bestellung und Abberufung von Vorstandsmitgliedern ist die Sicherstellung einer unbefangenen Vertretung der Aktiengesellschaft gegenüber dem Vorstand, die unbeeinflusst von sachfremden Erwägungen ausschließlich sachdienliche Gesellschaftsbelange wahrt. Dieser unbefangenen Wahrung der Gesellschaftsbelange dient gerade bei Sozialakten wie der hier vorliegenden Kündigung die auf Umsetzung des zu Grunde liegenden Aufsichtsratsbeschlusses gerichtete gesonderte Ermächtigung des Aufsichtsratsvorsitzenden. Nur durch eine solche besondere Ermächtigung wird die notwendige Rechtsklarheit bei der Vertretung der Aktiengesellschaft gegenüber ihrem Vorstand in Fällen der Bestellung und Abberufung von Vorstandsmitgliedern gewährleistet.

Im vorliegenden Fall hatte zwar der Aufsichtrat der Bekl. ihren Vorsitzenden durch Beschluss vom 19. 5. 2002 ermächtigt, dem Kl. die Beschlüsse betreffend seine Abberufung als Vorstand und die Kündigung seines Dienstverhältnis schnellst möglich bekannt zu geben. Auch wenn hierin gleichzeitig die ausdrückliche Ermächtigung des Aufsichtsratsvorsitzenden zur Übermittlung der fristlosen Kündigung des Dienstverhältnisses zu erblicken ist, ist die ausgesprochene Kündigung gleichwohl unwirksam, weil dem Kündigungsschreiben des Aufsichtsratsvorsitzenden vom 21. 5. 2001 kein ausreichender Nachweis eben dieser Bevollmächtigung beigefügt war und der Kl. diese daher unverzüglich zurückgewiesen hat (§ 174 S. 1 BGB).

Hierbei verkennt der Senat nicht, dass der Aufsichtsratsvorsitzende, der dem Kl. lediglich den erklärten Willen des Aufsichtsrats übermittelt hatte, nicht im eigentlichen Sinne Stellvertreter i.S. der §§ 164ff. BGB ist, weil dieser im Gegensatz zum Stellvertreter beim Ausspruch der Kündigung keinen eigenen Willen gebildet hatte. Gleichzeitig ist er aber auch nicht bloßer Bote des Aufsichtsrats, weil die Geschäftswirkungen nicht infolge beliebiger Kundgabe der Erklärung eintreten, sondern weil die dafür zuständigen Organmitglieder die Beschlusslage willentlich in Geltung gesetzt haben (Hüffer, in: Festschr.f. Claussen, S. 183). Berücksichtigt man jedoch weiterhin, dass sich jede Delegation von Aufgaben durch das vertretungsbefugte Organ an Dritte im Zusammenhang mit der Bekanntgabe von Aufsichtsratsbeschlüssen an den Vorstand letztlich aus der gesetzlichen Vertretungsmacht des Organs herleitet (Stein, AG 1999, 28 [33]), dann handelt auch der durch den Aufsichtsratbeschluss ermächtigte Aufsichtsratsvorsitzende bei der Kundgabe des Aufsichtsratsbeschlusses in Ausübung der ihm vom Aufsichtsratsplenum insoweit übertragenen und damit abgeleiteten Vertretungsmacht, die nach Auffassung des Senats zumindest eine analoge Anwendung der Vorschrift des § 174 S. 1 BGB auf den hier vorliegenden Fall der Erklärungsvertretung gebietet.

Die Heranziehung von § 174 BGB hat allerdings zur Konsequenz, dass der Kl. als Erklärungsempfänger berechtigt war, die Kündigungserklärung des Aufsichtsratsvorsitzenden zurückzuweisen, weil ihm nicht eine Ermächtigungsurkunde vorgelegt wurde. Sinn der gesetzlichen Regelung des § 174 BGB ist es, dem Kündigungsempfänger Gewissheit darüber zu verschaffen, ob der Erklärende wirklich zur Abgabe der Kündigungserklärung bevollmächtigt ist und der Vertretene die Erklärung gegen sich gelten lassen muss (BAG, NJW 1993, 1286f.; NZA 1998, 699 = ZIP 1998, 748ff.). Denn wenn jemand ein einseitiges Rechtsgeschäft wie z.B. eine Kündigung gegenüber einem Beteiligten als Bevollmächtigter im Namen eines anderen vornimmt, ohne sich über die erteilte Vollmacht auszuweisen, gerät der Beteiligte insofern in eine ungünstige Lage, als er keine Gewissheit darüber hat, ob das Rechtsgeschäft von einem wirklich Bevollmächtigten ausgeht und der Vertretene dasselbe gegen bzw. für sich gelten lassen muss.

Diesem berechtigten Interesse des Kl. als Kündigungsempfänger, Rechtssicherheit über die wirksame Ermächtigung des Aufsichtsratsvorsitzenden zur Übermittlung des Kündigungsbeschlusses des Aufsichtsrates zu erlangen, wird durch die auszugsweise Mitteilung des Wortlauts des vom Aufsichtsrat im Umlaufverfahren gefassten Beschlusses betreffend die Ermächtigung ihres Aufsichtsratsvorsitzenden zum Ausspruch der Kündigung des Dienstverhältnisses nicht Genüge getan. Nach § 107 II AktG analog i.V. mit § 15 IV der Satzung der Bekl. muss der Aufsichtsratsvorsitzende über Beschlüsse, die der Aufsichtsrat außerhalb von Sitzungen im Umlaufverfahren fasst, eine Niederschrift anfertigen, diese unterzeichnen und sie den Aufsichtsratsmitgliedern durch Übermittlung der Niederschrift bekannt machen (Hoffmann-Becking, in: Münchner Hdb. des GesR, § 31 Rdnr. 96). Sinn dieser Protokollierung ist es, Sicherheit über die Wirksamkeit eines vom Aufsichtsrat im Umlaufverfahren gefassten Beschlusses zu schaffen, weil es andernfalls bei stillschweigender Beschlussfassung unmöglich wäre, die für eine wirksame Beschlussfassung unerlässlichen Feststellungen darüber zu treffen, inwieweit etwa Beschlussfähigkeit, Zustimmung und Ablehnung gegeben und Stimmenthaltungen vorgekommen sind (BGHZ 41, 282 [286] = NJW 1964, 1367). So hätte sich der Kl. etwa anhand einer ihm übermittelten Protokollabschrift Gewissheit darüber verschaffen können, ob tatsächlich ein wirksamer Beschluss des Aufsichtsrats über die im Kündigungsschreiben vom 21. 5. 2002 vorgegebene Ermächtigung des Aufsichtsratsvorsitzenden zur Übermittlung der Kündigung ihm gegenüber vorlag. Zweifel an der Ermächtigung des Aufsichtsratsvorsitzenden zum Ausspruch der Kündigung sind insoweit aus der Sicht des Kl. nicht völlig aus der Luft gegriffen, weil dem Kl. im Kündigungsschreiben noch nicht einmal mitgeteilt wird, auf Grund welches, nach Datum bezeichneten Aufsichtsratsbeschlusses ihm der Aufsichtsratsvorsitzende die Kündigung übermittelt. Diese Ungewissheit über die wirksame Ermächtigung des Aufsichtsratsvorsitzenden zur Übermittlung des vom Aufsichtsrat gefassten Kündigungsbeschlusses konnte nur durch eine dem Kündigungsschreiben beigefügte Sitzungsniederschrift über den streitgegenständlichen Aufsichtsratsbeschluss vom 19. 5. 2002, eine Ausfertigung des vollständigen Beschlusses oder durch eine von allen Aufsichtsratsmitgliedern unterzeichnete Vollmacht beseitigt werden (Hüffer, § 112 Rdnr. 6; Geßler, in: Geßler/Hefermehl, § 112 Rdnr. 24). Hieran muss aus Gründen der Rechtssicherheit und wegen der Verantwortung des Aufsichtsrates gegenüber dem Vorstand ohne Einschränkung festgehalten werden (so auch i.E. Leuering, EWiR, § 174 BGB 2/03, S. 679). Keine dieser Unterlagen lag im Streitfall vor.

Eine Zurückweisung der Kündigung der Bekl. wegen des fehlenden Nachweises der Ermächtigung ihres Aufsichtsratsvorsitzenden zur Übermittlung der Kündigung ist auch nicht etwa nach § 174 S. 2 BGB ausgeschlossen. Zwar kann bei Ausspruch einer Arbeitgeberkündigung eine Ungewissheit darüber, ob der Erklärende wirklich zum Ausspruch der Kündigung bevollmächtigt ist und der Vertretene die Erklärung gegen sich gelten lassen muss, dann nicht bestehen, wenn der Erklärende in eine Stellung berufen wurde, mit der das Kündigungsrecht regelmäßig verbunden ist. Nach ständiger Rechtsprechung des BAG bedeutet die Berufung eines Mitarbeiters in die Stellung z.B. als Leiter der Personalabteilung, als Prokurist oder als Generalbevollmächtigter in der Regel, dass die Arbeitnehmer des Betriebes auch i.S. des § 174 S. 2 BGB davon in Kenntnis gesetzt sind, dass der Betreffende zur Kündigung von Arbeitsverhältnissen berechtigt ist (BAG, NJW 1993, 1286f.; NZA 1998, 699 = ZIP 1998, 748). Eine diesen Fällen vergleichbare Situation ist aber im vorliegenden Fall bei der Übermittlung der Kündigung vom 21. 5. 2002 durch den Aufsichtsratsvorsitzenden der Bekl. nicht gegeben. Obgleich die Bekl. im Einklang mit § 23 IV AktG in ihre Satzung die Regelung hätte aufnehmen können, dass der Aufsichtsratsvorsitzende ermächtigt ist, Erklärungen des Aufsichtsrats gegenüber den Vorstandmitgliedern abzugeben, hat sie von dieser Regelungsmöglichkeit keinen Gebrauch gemacht. Ebenso wenig ist vorgetragen worden, dass sich eine solche generelle Ermächtigung aus einer – hier fehlenden – Geschäftsordnung des Aufsichtsrats ergibt. Auch die Stellung als Aufsichtsratsvorsitzender reicht – wie bereits im Rahmen der Abhandlung des § 174 S. 1 BGB ausgeführt wurde – jedenfalls bei Sozialakten nicht aus, um von einer generellen Befugnis des Aufsichtsratsvorsitzenden, im Namen des Aufsichtsrats die zur Durchführung der Aufsichtsratsbeschlüsse gegenüber Vorstandmitgliedern erforderlichen Erklärungen abzugeben, ausgehen zu können. Soweit in der Literatur zum Teil die Rechtsauffassung vertreten wird, bei Aufsichtsratsbeschlüssen, die rechtsgeschäftlich umgesetzt werden müssen, sei „im Allgemeinen” bereits dann eine konkludente Ermächtigung des Aufsichtsratsvorsitzenden anzunehmen, wenn nicht ausdrücklich ein anderer als dieser bevollmächtigt werde (Mertens, in: Kölner Komm., § 107 Rdnr. 47), kann dies bei Lichte besehen nicht zu einer anderen Beurteilung der Rechtslage führen. Da auch nach dieser der Aufsichtsratsvorsitzende nicht notwendig der ausschließliche „Erklärungsvertreter” des Aufsichtsrats ist (Mertens, in: Kölner Komm., § 107 Rdnr. 46) und die konkludente Bevollmächtigung des Aufsichtsratsvorsitzenden auch nach dieser Auffassung nur insoweit gilt, als der Beschluss keine anderweitige Regelung über die Ermächtigung enthält (Mertens, in: Kölner Komm. § 78 Rdnr. 5), hängt es doch wieder ganz vom jeweiligen Einzelfall ab, ob zur rechtsgeschäftlichen Umsetzung des Beschlusses gerade der Aufsichtsratsvorsitzende oder ein Dritter ausgewählt wurde. Die Auffassung von Mertens bliebe also bei ihrer Umsetzung in die Rechtspraxis immer mit der Schwäche behaftet, dass der Erklärungsempfänger, um dessen Sicherheit es aber gerade geht, ohne eine entsprechende Negativbescheinigung des Aufsichtsrats eben nicht in einer über jeden Zweifel erhabenen Art und Weise von der ausschließlichen Befugnis des ihm gegenüber als Erklärungsvertreter auftretenden Aufsichtsratsvorsitzenden ausgehen könnte. Es mag für den Aufsichtsrat gute Gründe geben, im Einzelfall gerade nicht seinen Vorsitzenden mit der Umsetzung seiner Beschlüsse zu betrauen. Solche Gründe mögen sachlicher Natur sein oder im Verhältnis des Aufsichtsratsvorsitzenden zum jeweiligen Erklärungsempfänger liegen. Um die Formstrenge, die § 174 S. 1 BGB verlangt, nicht aufzuweichen, darf die Ausnahmeregelung des § 174 S. 2 BGB nicht etwa großzügig betrachtet werden, sondern verlangt ihrerseits eine enge Auslegung. Solange also nicht etwa das Satzungsrecht der Gesellschaft, die – dem Vorstand bekannte – Geschäftsordnung des Aufsichtsrats oder eine allgemeingültige Verlautbarung des Aufsichtsrats nach außen hin und damit auch gegenüber dem Vorsand deutlich macht, dass stets allein der Aufsichtsratsvorsitzende zur Verlautbarung von Aufsichtsratsbeschlüssen befugt sein soll, solange darf jedenfalls der Vorstand als Erklärungsempfänger den Nachweis einer Einzelbevollmächtigung des Aufsichtsratsvorsitzenden bei Erklärungen ihm gegenüber erwarten.

Etwas anderes folgt im vorliegenden Fall auch nicht etwa daraus, dass der Aufsichtsratsvorsitzende die ihm erteilte Erklärungsermächtigung in den Inhalt seiner Erklärung gegenüber dem Kl. aufgenommen hat. Wollte man dies genügen lassen, würde § 174 S. 1 BGB seines Inhalts entleert. Denn mit dem Zwang zur Vorlage der darin angesprochenen Vollmachtsurkunde verlangt die Bestimmung eine originäre Verlautbarung des Vollmachtgebers und lässt die bloße Erklärung des Bevollmächtigten über die Existenz einer solchen gerade nicht genügen. Auf den Grad der Seriosität oder Glaubhaftigkeit einer solchen Erklärung stellt das Gesetz im Interesse einer umfassenden Rechtssicherheit für den Erklärungsempfänger nicht ab.

Die Berufung des Kl. auf § 174 BGB ist schließlich auch nicht rechtsmissbräuchlich. Dass der Kl. – nachdem der Aufsichtsrat seine Bestellung zum Vorstand beschlossen und den vom Vorstandvorsitzenden und dem Aufsichtsratsvorsitzenden mit ihm ausgehandelten Vertrag ausdrücklich genehmigt hatte – die dem Aufsichtsratsvorsitzenden vom Aufsichtsrat tatsächlich erteilte Ermächtigung zur Unterzeichnung des Dienstvertrages nicht hinterfragt hatte, kann wegen der völlig anderen Interessenlage bei der Kündigung des Dienstverhältnisses nicht dazu führen, dass der Kl. nunmehr keinen Nachweis über die Ermächtigung des Aufsichtsratsvorsitzenden zur Kündigung seines Dienstverhältnisses verlangen durfte.

Die Zurückweisung der Kündigung des Kl. erfolgte auch unverzüglich i.S. des § 174 BGB. Die Zurückweisung des am 22. 5. 2002 zugegangenen Kündigungsschreibens erfolgte bereits mit Schreiben vom 24. 5. 2002.

Rechtsfolge der mithin unwirksamen Kündigung ist, dass die Bekl. nach §§ 2 und 9 des abgeschlossenen Dienstvertrages mit dem Kl. verpflichtet ist, diesem während der Laufzeit des Dienstvertrages seine Bezüge ungeachtet der erfolgten Abberufung als Vorstand und der erfolgten Freistellung von weiteren Tätigkeiten für die Gesellschaft weiterzuzahlen.

Was nun die Höhe der dem Kl. zu zahlenden monatlichen Bezüge anbelangt, so sind die Voraussetzungen für eine Kürzung seiner Bezüge mit Wirkung ab 15. 2. 2002 nur in Höhe von monatlich 10%, mithin 1000 EUR brutto gegeben. Die darüber hinausgehende Bezügekürzung ist nicht gerechtfertigt.

Nach § 87 II AktG ist der Aufsichtsrat zu einer angemessenen Herabsetzung der Bezüge eines Vorstandsmitglieds berechtigt, wenn eine so wesentliche Verschlechterung in den Verhältnissen der Gesellschaft eintritt, dass die Weitergewährung dieser Bezüge eine schwere Unbilligkeit für die Gesellschaft wäre. Hiervon ist im Streitfall auszugehen. Seit der Einstellung des Kl. hatten sich die wirtschaftlichen Verhältnisse bei der Bekl. sehr ungünstig entwickelt, weil der für 2001 geplante Börsengang nicht realisiert werden konnte, so dass der Bekl. für April 2002 sogar die bilanzielle Überschuldung drohte. Allerdings begründen wirtschaftliche Schwierigkeiten der Gesellschaft für sich allein noch kein Recht zur Kürzung der vertraglich festgesetzten Bezüge. Auch das Vorstandsmitglied einer AG muss grundsätzlich darauf vertrauen können, dass die mit ihm vereinbarten Bezüge während der Vertragszeit auch tatsächlich gewährt werden. Sonst bestünde eine Unsicherheit, die sich nachteilig auf die Tätigkeit als Vorstandsmitglied und damit auch auf die Gesellschaft auswirkt. Das Anstellungsverhältnis begründet eine Treue- und Fürsorgepflicht für die Gesellschaft, mit der es unvereinbar wäre, wenn die Gesellschaft nicht die von ihr übernommenen Pflichten erfüllt. Zum anderen folgt aber auch aus der dem Vorstandmitglied gegenüber seiner Gesellschaft obliegenden Treuepflicht (§ 76 AktG), dass er bei Eintritt besonderer Umstände, wie einer Gefährdung des Unternehmens, nicht starr am Buchstaben des Vertrages festhalten darf. Ausgehend davon, dass das Herabsetzungsrecht nach § 87 II AktG weder eine Handhabe gibt, das wirtschaftliche Risiko der Gesellschaft auf die Vorstandmitglieder abzuwälzen noch ein Instrumentarium darstellt, um sich von lästig gewordenen Vorstandbezügen zu befreien, gestatten auch eine wesentliche Verschlechterung in den Verhältnissen der Gesellschaft und eine schwere Unbilligkeit für die Gesellschaft von vornherein nur eine eher restriktive Anwendung des Herabsetzungsrechts nach § 87 II AktG. Selbst eine sehr ungünstige Gesamtentwicklung der wirtschaftlichen Verhältnisse einer Gesellschaft bis hin zur Notwendigkeit der Betriebsveräußerung muss im konkreten Einzelfall noch keine schwere Unbilligkeit bedeuten, wenn der Gesellschaft zum Beispiel noch eine große veräußerungsfähige Anlage gehört, die bei einer Liquidation eine gute Gesamterlöslage erwarten lässt (LG Duisburg, BB 1971, 145 m. Anm. Hartstang). Wohl kann aber eine Unbilligkeit für die Gesellschaft darin liegen, dass durch die Weitergewährung der Vorstandsbezüge in der bisherigen Höhe die Belange der Arbeitnehmerschaft des Betriebs gefährdet sind. Legt man diese Maßstäbe im vorliegenden Fall zu Grunde, so ist auf Grund der wirtschaftlich schwierigen Lage, in der sich die Bekl. in dem Zeitpunkt des Beschlusses über die bei Herabsetzung der Vorstandsbezüge befand, von einer schweren Unbilligkeit für die Gesellschaft auszugehen. Zwar konnte der drohenden Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft kurzfristig durch Aufnahme eines Darlehens über 500000 EUR begegnet werden, so wie dies von der K-AG im ihrem Prüfbericht vom 20. 2. 2002 vorgeschlagen worden war. Angesichts der nach wie vor bestehenden gravierenden Liquiditätsprobleme, die im laufenden Geschäftsjahr 2001/2002 bereits zu erheblichen Einschränkungen im Personalbereich (z.B. durch Kündigungen und unterlassener Neubesetzung freigewordener Stellen, wie sie im Sanierungsplan der Bekl. vom 30. 8. 2001 ausgewiesen sind) geführt haben, war jedoch der Aufsichtsrat berechtigt, auch die Vorstandmitglieder durch eine Herabsetzung ihrer Bezüge zu einem Beitrag zur Überwindung der Liquiditätsprobleme der Gesellschaft heranzuziehen. Soweit er jedoch die Bezüge im Streitfall um gar 50% herabgesetzt hat, ist diese Herabsetzung schon deshalb nicht angemessen, weil sie gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz verstößt.

Der Gleichbehandlungsgrundsatz ist ein zentraler Rechtsgrundsatz des Gesellschaftsrechts. Dieser Grundsatz bedeutet zwar nicht eine schematische Gleichstellung, sondern nur gleichmäßige Behandlung unter gleichen Voraussetzungen, wobei Differenzierungen grundsätzlich erlaubt und nur dann ausgeschlossen sind, wenn sie willkürlich, d.h. durch keinen sachlichen Grund, gerechtfertigt erscheinen. Das bedeutet, dass gleiche Sachverhalte gleich und ungleiche nach ihrer Eigenart zu behandeln sind. Der Gleichbehandlungsgrundsatz beinhaltet demgemäss keine „Gleichmacherei”, wohl aber ein Diskriminierungsverbot. Diesem Gleichbehandlungsgrundsatz wurde vorliegend zwar insoweit genügt, als die Bezüge aller Vorstände gleichmäßig um 50% herabgesetzt wurden. Dennoch wurden durch die vorliegende Bezügeherabsetzung zum einen nicht alle Vorstände gleichermaßen belastet, weil noch im Juli 2001 mit Rückwirkung zum 1. 5. 2001 die Bezüge des Vorstandsvorsitzenden und gleichzeitigen Mehrheitsaktionärs der Bekl. nicht unerheblich erhöht worden waren, obgleich sich zu diesem Zeitpunkt bereits die erhebliche Verschlechterung der wirtschaftlichen Situation der Bekl. abzeichnete, die schließlich zum Sanierungsplan des Vorstands der Bekl. vom 30. 8. 2001 mit erheblichen personellen Einsparungen führte. Zum anderen wurde durch die Herabsetzung der Vorstandbezüge um gleichmäßig 50% bewirkt, dass nunmehr die Bezüge des Kl. geringer waren als die Bezüge einzelnen Mitarbeiter unterhalb der Vorstandsebene. Unter Angemessenheit i.S. von § 87 II AktG ist jedoch nur eine Herabsetzung der Bezüge auf Beträge zu verstehen, deren Gewährung keine Unbilligkeit mehr für die Gesellschaft darstellt. Dafür, dass es hierzu, insbesondere zur Wahrung der Belange der Arbeitnehmer der Bekl., erforderlich gewesen wäre, die Vergütung des Kl. soweit herabzusetzen, dass diese unterhalb der Gehälter leitender Angestellter liegt, ist nichts ersichtlich.

Der Senat hält im Streitfall eine Herabsetzung der Bezüge des Kl. um monatlich 10%, mithin 1000 EUR brutto in Ausübung des ihm zustehenden billigen Ermessens bei der Festsetzung der Bezügeherabsetzung als angemessen (§ 315 III 2 BGB). Ausgehend davon, dass der Kl. bei seiner der streitgegenständlichen Anstellung vorausgehenden Beschäftigung als Prokurist der V-AG bereits ein Jahresgehalt von 230000 DM bezogen hatte und zudem die Aufgabe der Sanierung der Gesellschaft besonders schwierig und verantwortungsvoll ist, erachtet der Senat lediglich eine geringfügige Herabsetzung der Vorstandsbezüge des Kl. um 10% für geboten. Durch eine solche maßvolle Ermäßigung wird einerseits dem berechtigten Anliegen des Aufsichtsrats Rechnung getragen, dass sich in wirtschaftlichen schwierigen Situationen der Gesellschaft auch der Vorstand durch einer Reduzierung seiner Bezüge an der Überwindung der Liquiditätsprobleme beteiligen muss, andererseits wird aber auch der erforderliche Abstand zu den gezahlten Vergütungen der leitenden Angestellten unterhalb der Vorstandsebene gewahrt.

Nach alldem schuldet daher die Bekl. dem Kl. für den Monat Februar 2002 eine Vergütung von brutto 9500 EUR und für die Folgemonate März bis Juli 2002 eine monatliche Vergütung von brutto 9000 EUR, jeweils ohne Sachbezug. Aus der Differenz dieser geschuldeten Vergütung zu der im streitgegenständlichen Zeitraum tatsächlich geleisteten Vergütung (ohne Sachbezug) ergibt sich der mit der Klage zuerkannte Zahlungsanspruch in Höhe von 33451,61 EUR. Von diesem Betrag ist nicht die von der Bekl. nach Zustellung des erstinstanzlichen Urteils an den Kl. erbrachte Zahlung in Höhe von 11719,50 EUR in Abzug zu bringen. Denn ausgehend davon, dass diese Zahlung nur zur Abwendung der Zwangsvollstreckung aus dem erstinstanzlichen Urteil geleistet wurde (nach dem vom Kl. nicht bestrittenen Sachvortrag der Bekl., hatte dieser auf Grund des erstinstanzlichen Urteils am 5. 11. 2002 ein vorläufiges Zahlungsverbot bezogen auf alle Geschäftskonten der Bekl. erwirkt, auf Grund dessen sich die Bekl. veranlasst sah, zur Aufrechterhaltung ihres Geschäftsbetriebs die Zahlung an den Kl. zu bewirken) trat hierdurch keine Erfüllung mit der Wirkung des Erlöschens der Forderung ein (BGH, NJW 1981, 2244).

Der Zinsanspruch folgt im zuerkannten Umfang aus §§ 286, 288 BGB a.F.

Ausgehend von der von der Bekl. im streitgegenständlichen Zeitraum geschuldeten Bruttovergütung (jeweils ohne Sachbezug) von 9500 EUR für Februar 2002 und monatlich 9000 EUR für die Folgemonate März bis Juli 2002 befand sich die Bekl. unter Berücksichtigung der von ihr für die Monate Februar bis April 2002 erbrachten Bruttovergütung (ohne Sachbezug) mit folgenden Beträgen in Verzug: 2000 EUR für Februar 2002 seit dem 1. 3. 2002, 4000 EUR für März 2002 seit dem 1. 4. 2002, 4000 EUR für April seit dem 1. 5. 2002. Soweit der Kl. seiner Zinsforderung insoweit geringere Beträge zu Grunde legt, ist der Senat hieran gebunden (§ 308 I 2 ZPO).

Was die Zinsforderung für den Zeitraum ab 1. 6. 2002 betreffend die Vergütungsforderung ab Mai 2002 anbelangt, so gilt Folgendes: Zwar führen Zahlungen, die der Schuldner zur Abwendung der Zwangsvollstreckung aus einem nur vorläufig vollstreckbaren Urteil leistet nicht zur Erfüllung der Hauptforderung. Etwas anderes gilt jedoch in Bezug auf die Ansprüche auf Verzugs- und Prozesszinsen nach §§ 286, 288, 291 BGB a.F. In diesem Fall endet mit der Zahlung der Verzug mit der Geldschuld und damit auch die Verpflichtung zur Zahlung der Verzugszinsen (BGH, NJW 1981, 2244). Grund hierfür ist, dass der Gläubiger keinen Anspruch darauf hat, hinsichtlich seiner Ansprüche auf Verzugs- oder Prozesszinsen bei Zahlungen des Schuldners zur Abwendung der Zwangsvollstreckung besser gestellt zu werden als im Fall erfolgreicher – verzugsbeendender – Zwangsvollstreckungsmaßnahmen.

Da die Bekl. nicht konkret angibt, wann die Zahlung von 11719,50 EUR erfolgte, ihrem vom Kl. nicht bestrittenen Vorbringen jedoch zu entnehmen ist, dass die Zahlung zwischen dem 5. 11. 2002 (Beantragung des vorläufigen Zahlungsverbots durch den Kl.) und dem 13. 11. 2002 (Schreiben der Sparkasse K vom 13. 11. 2002 an den Obergerichtsvollzieher T wegen der Zahlung) erfolgte, geht der Senat für die weitere Zinsberechnung davon aus, dass die Zahlung am 13. 11. 2002 erfolgte. Die Verzugszinsen für den Zeitraum ab 1. 6. 2002 berechnen sich daher unter Berücksichtigung dieser – verzugsbeendenden – Zahlung wie folgt: Für den Monat Mai 2002 schuldete die Bekl. unter Berücksichtigung der für Mai erbrachten Gehaltszahlung von brutto 3548,39 EUR (ohne Sachbezug) Verzugszinsen aus einem Betrag von 5451,61 EUR (9000 EUR – 354839 EUR) seit dem 1. 6. 2002. Die am 13. 11. 2002 erfolgte Zahlung des als Bruttobezug für Mai titulierten Betrages von 1486,28 EUR bewirkte mithin, dass sich die Bekl. ab dem 14. 11. 2002 nur noch mit dem Differenzbetrag zwischen den geschuldeten 9000 EUR und dem Zahlbetrag (nämlich 3548,39 EUR und 1486,28 EUR), mithin nur noch mit 3965,33 EUR in Verzug befand. Insoweit werden von dem Kl. jedoch für den gesamten Zeitraum ab 1. 6. 2002 nur Verzugszinsen aus einem Betrag von 3900 EUR geltend gemacht. Höhere Zinsen können ihm mit Rücksicht auf die Bindung des Senats an die Parteianträge nicht zugesprochen werden.

Für den Monat Juni 2002 schuldete die Bekl. seit dem 1. 6. 2002 Verzugszinsen aus einem weiteren Betrag von 9000 EUR. Die am 13. 11. 2002 erfolgte Zahlung des als Bruttobezug für Juni titulierten Betrages von 4869,30 EUR bewirkte mithin, dass sich die Bekl. ab dem 14. 11. 2002 nur noch mit dem Differenzbetrag zwischen den geschuldeten 9000 EUR und dem Zahlbetrag von 4869,30 EUR mithin nur noch mit 4130,70 EUR in Verzug befand. Mit Rücksicht darauf, dass der Kl. jedoch nur Zinsen aus einer Forderung von 7283,02 EUR verlangt, können ihm wegen der Bindung des Senats an die Parteianträge für den Zeitraum vom 1. 7. bis 13. 11. 2002 nur Verzugszinsen aus diesem Betrag zugesprochen werden; für den Zeitraum ab 14. 11. 2002 werden Verzugszinsen aus einem Betrag von 4130,70 EUR geschuldet.

Entsprechendes gilt für die Verzugszinsforderung ab 1 8. 2002. Für den Monat Juli 2002 schuldete die Bekl. ebenfalls Verzugszinsen aus einem Betrag von 9000 EUR. Die am 13. 11. 2002 erfolgte Zahlung des als Bruttobezug für Juli titulierten Betrages von 4869,30 EUR bewirkte mithin, dass sich die Bekl. ab dem 14. 11. 2002 nur noch mit dem Differenzbetrag zwischen den geschuldeten 9000 EUR und dem Zahlbetrag von 4869,30 EUR mithin nur noch mit 4130,70 EUR in Verzug befand. Mit Rücksicht darauf, dass der Kl. jedoch nur Zinsen aus einer Forderung von 7283,02 EUR verlangt, können ihm wegen der Bindung des Senats an die Parteianträge für den Zeitraum vom 1. 8. bis 13. 11. 2002 nur Verzugszinsen aus diesem Betrag zugesprochen werden; für den Zeitraum ab 14. 11. 2002 werden Verzugszinsen aus einem Betrag von 4130,70 EUR geschuldet.

Die darüber hinaus gehende Klage war demgemäß abzuweisen, wobei noch Folgendes klarzustellen ist:

Der von der Bekl. zur Abwendung der Zwangsvollstreckung geleistete Zahlbetrag von 11719,50 EUR setzt sich offenbar aus der vom LG titulierten Hauptforderung von 11451,61 EUR und einem – wie auch immer errechneten – Zinsanteil von 267,89 EUR zusammen. Nach den vorerwähnten Grundsätzen (BGH, NJW 1981, 2244ff.) gilt naturgemäß die von dieser Zahlung nominell gedeckte titulierte Zinsforderung als nicht erfüllt i.S. des § 362 BGB, so dass dieser Zinsanteil ungeachtet der erfolgten Zahlung nach wie vor zu titulieren war.

Die Widerklage ist unbegründet. Wie sich aus den vorstehenden Ausführungen ergibt, erfolgte die von der Bekl. zur Abwendung der Zwangsvollstreckung geleistete Zahlung in Höhe von 11719,50 EUR nicht rechtsgrundlos, so dass für eine Rückforderung dieser Zahlung keine Rechtsgrundlage besteht. (…)

Die Revision wird zugelassen, weil bislang eine höchstrichterliche Rechtsprechung zu der im Schrifttum nicht abschließend geklärten Frage, unter welchen Voraussetzungen die Abberufungs- und Kündigungserklärung des Aufsichtsratsvorsitzenden gegenüber einem Vorstandsmitglied von diesem nach § 174 BGB zurückgewiesen werden kann, fehlt und der Senat die gebotene Auslegung des § 174 BGB für eine Frage von grundsätzlicher Natur hält (§ 543 II Nr. 1 ZPO).

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