Geschäftsordnung des Aufsichtsrats: Unverzichtbare Inhalte und rechtssichere Gestaltung (mit Muster-Vorlage)

Die Geschäftsordnung des Aufsichtsrats ist zentral für die effektive Arbeit und Organisation dieses wichtigen Kontrollgremiums in Aktiengesellschaften. Sie regelt die internen Abläufe und Zuständigkeiten und sorgt für Klarheit und Effizienz in der Aufsichtsratsarbeit. Doch welche Inhalte sind für eine rechtssichere und praxistaugliche Geschäftsordnung unverzichtbar? In diesem Artikel gehen wir darauf ein, worauf es bei der Gestaltung ankommt und welche Punkte keinesfalls fehlen dürfen.

Vorab möchten wir bereits auf die Resolvio-Beschlussvorlagen für die Geschäftsordnungen des Aufsichtsrats hinweisen (Anmeldung erforderlich):

Hier geht es zu den Beschlussvorlagen:

➡️ Geschäftsordnung des Aufsichtsrats (ohne Mitbestimmung)

➡️ Geschäftsordnung des mitbestimmten Aufsichtsrats (nach MitbestG)

Die Be­deu­tung der Ge­schäfts­ord­nung für den Auf­sichts­rat

Bevor wir uns den konkreten Inhalten widmen, lohnt es sich, einen Blick auf die grundsätzliche Bedeutung der Geschäftsordnung zu werfen. Sie ist Ausdruck der Organisationsautonomie des Aufsichtsrats und wird von diesem selbst beschlossen. Anders als beim Vorstand bedarf es dafür keiner Ermächtigung durch die Satzung.

Die Geschäftsordnung ergänzt die gesetzlichen Regelungen und die Bestimmungen der Satzung. Sie kann jedoch nicht gegen zwingende gesetzliche Vorschriften oder die Satzung verstoßen. Vielmehr konkretisiert sie die Arbeitsweise des Aufsichtsrats im Rahmen der rechtlichen Vorgaben.

Für börsennotierte Gesellschaften enthält D.1 des Corporate Governance Kodex (CGK) die Empfehlung, dass sich der Aufsichtsrat eine Geschäftsordnung geben soll, die auf der Internetseite der Gesellschaft zugänglich gemacht werden soll. Unterbleibt der Erlass einer Geschäftsordnung, sind Vorstand und Aufsichtsrat der börsennotierten Gesellschaft verpflichtet, dies jährlich in der Erklärung zum Corporate Governance Kodex nach § 161 AktG offen zu legen.

Sofern der Aufsichtsrat aufgrund der Bestimmungen des Mitbestimmungsgesetzes (MitbestG) paritätisch mit Arbeitnehmervertretern besetzt werden muss (bei Unternehmen mit mehr als 2.000 Mitarbeitern), sollte die Geschäftsordnung auch die sich hieraus ergebenden Besonderheiten widerspiegeln.

Zen­tra­le In­hal­te der Ge­schäfts­ord­nung

Schauen wir uns nun die wesentlichen Punkte an, die in keiner Geschäftsordnung des Aufsichtsrats fehlen sollten:

1. Zu­sam­men­set­zung und Wahl des Vor­sit­zen­den

Findet das MitbestG keine Anwendung (bei Unternehmen mit 2.000 Mitarbeitern oder weniger), lässt sich die Wahl des Aufsichtsratsvorsitzenden und seines Stellvertreters (nur) durch die Satzung regeln. Eine konstitutive Regelung des Wahlverfahrens durch die Geschäftsordnung ist nicht möglich. Daher wurde im Resolvio-Muster auf eine entsprechende Passage für nicht-mitbestimmte Aufsichtsräte verzichtet.

Bei einem nach dem MitbestG mitbestimmten Aufsichtsrat greifen die Sonderregeln der §§ 29, 29 Abs. 2 MitbestG für das Wahlverfahren des Aufsichtsratsvorsitzenden bzw. seines Stellvertreters. Um den Aufsichtsratsmitgliedern insoweit einen Leitfaden an die Hand zu geben, ist es sinnvoll, eine entsprechende Regelung in der Geschäftsordnung vorzusehen.

Mit dem interaktiven Resolvio-Geschäftsordnungsmuster für den Aufsichtsrat lässt sich eine professionelle Geschäftsordnung schnell und rechtssicher erstellen und beschließen.

2. Be­schluss­fas­sung und Stimm­rech­te, Ein­be­ru­fung und Durch­füh­rung von Sit­zun­gen

Die Geschäftsordnung sollte detaillierte Regelungen enthalten

  • zur zulässigen Art der Beschlussfassung (Sitzungen und Umlaufbeschlüsse),
  • zur Durchführung (Einberufung von Sitzungen, Fristen, Tagesordnung und Beschlussfähigkeit, Telefon- oder Videokonferenzen) sowie
  • zur Stimmzählung (Festlegung von Mehrheitserfordernissen, die Behandlung von Stimmenthaltungen und gegebenenfalls das Stichentscheidungsrecht des Vorsitzenden).

Bei mitbestimmten Aufsichtsräten sind die speziellen Regelungen des Mitbestimmungsgesetzes zu berücksichtigen:

  • § 28 Satz 1 MitbestG fordert, dass der Aufsichtsrat zu seiner Beschlussfähigkeit der Teilnahme mindestens der Hälfte der vorgeschriebenen Mitglieder bedarf.
  • § 29 Abs. 1 MitbestG gibt die einfache Mehrheit als zwingendes Mehrheitserfordernis vor, soweit das MitbestG keine anderen Mehrheiten vorsieht.
  • § 29 Abs. 2 MitbestG sieht für den Aufsichtsratsvorsitzenden zwei Stimmen vor (Recht zum Stichentscheid) vor, soweit in der ersten Abstimmung eine Pattsituation eingetreten ist und eine zweite Abstimmung über den inhaltsgleichen Beschlussvorschlag Stimmengleichheit ergeben hat.

3. Schwei­ge­pflicht der Auf­sichts­rats­mit­glie­der

Die Schweigepflicht der Aufsichtsratsmitglieder gehört zu den wichtigsten Pflichten im Aufsichtsrat. Die Pflicht zur Verschwiegenheit der Aufsichtsratsmitglieder ist daher bereits gesetzlich niedergelegt (§ 116 S. 2 AktG).

In der Geschäftsordnung sollte hierzu aus mehreren Gründen ein Passus aufgenommen werden. Zum einen werden die Aufsichtsratsmitglieder hierdurch an ihre Schweigepflicht und deren Umfang “erinnert”. Zum anderen können Verfahrensregelungen und Richtlinien für Grenzfälle geregelt werden, z.B. wenn ein Aufsichtsratsmitglied die Weitergabe einer bestimmten Information für erforderlich hält.

4. Re­ge­lun­gen zur Be­set­zung des Vor­stand

Eine der Hauptaufgaben des Aufsichtsrats ist die Vertretung der Gesellschaft, wenn mit den Mitgliedern des Vorstands ein Vertrag oder ein sonstiges Rechtsgeschäft abgeschlossen werden muss.

Daher ist es sinnvoll, in der Geschäftsordnung Eignungsvoraussetzungen für das Amts des Vorstands den Aufsichtsratsmitgliedern an die Hand zu geben. So ist in der Resolvio-Vorlage beispielsweise vorgesehen,

  • dass im Vorstand auf eine diverse Zusammensetzung zu achten ist,
  • dass ein Vorstandsmitglied im Zeitpunkt seiner Bestellung nicht älter als 65 Jahre alt sein sollte,
  • dass bei der erstmaligen Bestellung zum Vorstand die Amtszeit des Vorstandsmitglieds nicht länger als 3 Jahre betragen sollte.

5. Be­richts­pflicht und Zu­stim­mungs­ka­ta­log

Damit der Aufsichtsrat seine Aufgabe der Vorstandsüberwachung und -kontrolle effektiv wahrnehmen kann, ist es notwendig, dass der Aufsichtsrat über die Angelegenheiten der Gesellschaft ausreichend unterrichtet ist und bei besonders wichtigen Geschäften vorab um seine Zustimmung gefragt werden muss. Daher sind Berichtspflichten und die Festlegung eines Zustimmungskatalogs besonders wichtig.

Nach Grundsatz 15 CGK soll der Aufsichtsrat die Informationen und Berichtspflichten des Vorstands näher festlegen. Dabei können beispielsweise die Themen der Berichterstattung, die Intervalle und die Form näher geregelt werden. In der Resolvio-Mustergeschäftsordnung wird davon ausgegangen, dass die Berichtspflichten anderweitig niedergelegt werden (z.B. in der Geschäftsordnung des Vorstands oder in einer gesonderten Informationsordnung), sodass in der Geschäftsordnung für den Aufsichtsrat lediglich ein allgemeiner Hinweis enthalten ist.

Dagegen ist in der Resolvio-Mustergeschäftsordnung ein typischer Zustimmungskatalog enthalten. Bei der Festlegung der Wertgrenzen soll ein Wert gefunden werden, der so hoch ist, dass das entsprechende zustimmungsbedürftige Geschäft die Ertragsaussichten oder die Risikoexposition der Gesellschaft grundlegend verändern kann.

6. Bil­dung und Be­set­zung von Aus­schüs­sen

Die Geschäftsordnung sollte Regelungen zur Bildung von Ausschüssen, deren Zusammensetzung und Aufgaben enthalten. Besonders wichtig ist hier der Prüfungsausschuss (auch „Audit Committee”), dessen Einrichtung für börsennotierte Gesellschaften empfohlen wird.

In der Resolvio-Mustersatzung kann optional die Einrichtung der folgenden Ausschüsse vorgesehen werden:

  • Präsidialausschuss (Vorbereitung von Aufsichtsratssitzungen und Personalentscheidungen des Aufsichtsrats),
  • Nominierungsausschuss (Vorschläge für die Wahl von Aufsichtsratsmitgliedern an die Hauptversammlung),
  • Audit Committee/Prüfungsausschuss: (Rechnungslegung, Abschlussprüfung),
  • Technolgieausschuss/Digitalisierungsausschuss (Digitalisierung und IT-Sicherheit).

Hinzutritt bei einer nach dem MitbestG mitbestimmten Gesellschaft der Vermittlungsausschuss nach § 27 Abs. 3 MitbestG.

7. In­ter­es­sen­kon­flik­te

Klare Regelungen zum Umgang mit Interessenkonflikten sind unerlässlich für eine integre Aufsichtsratsarbeit. Die Geschäftsordnung sollte hier konkrete Verhaltensregeln und Offenlegungspflichten definieren.

Beispielsweise sieht die Resolvio-Mustergeschäftsordnung vor, dass ein Aufsichtsratsmitglied dem Aufsichtsratsvorsitzenden mitzuteilen hat, wenn sich seine berufliche Tätigkeit wesentlich ändert.

8. Ef­fi­zi­enz­prü­fung und Fort­bil­dung

Moderne Geschäftsordnungen enthalten zunehmend auch Regelungen zur regelmäßigen Effizienzprüfung der Aufsichtsratsarbeit und zur Fortbildung der Mitglieder. Diese Aspekte tragen zur kontinuierlichen Verbesserung der Aufsichtsratstätigkeit bei.

Für börsennotierte Aktiengesellschaften gilt sogar eine entsprechende Empfehlung des Corporate Governance Kodex (D.13 und Grundsatz 18)

Eine Selbstverpflichtung zu einer jährlichen Selbstevaluierung und Fortbildung ist daher in der Muster-Geschäftsordnung enthalten.

Fa­zit: Sorg­fäl­ti­ge Ge­stal­tung für rei­bungs­lo­se Auf­sichts­rats­ar­beit

Eine gut durchdachte Geschäftsordnung ist das Fundament für eine effektive und rechtssichere Aufsichtsratsarbeit. Sie schafft Klarheit über Abläufe und Zuständigkeiten und trägt so wesentlich zur Professionalisierung der Aufsichtsratstätigkeit bei. Bei der Erstellung oder Überarbeitung der Geschäftsordnung kann die Resolvio-Mustergeschäftsordnung sowohl für große und kleine Aktiengesellschaften eine wichtige Grundlage darstellen.

Hier gelangen Sie zu den Muster-Geschäftsordnungen:

➡️ Geschäftsordnung des Aufsichtsrats (ohne Mitbestimmung)

➡️ Geschäftsordnung des mitbestimmten Aufsichtsrats (nach MitbestG)

Deutschland
Rechtsform
Aktiengesellschaft (AG)
Gremienart
Aufsichtsrat
Inhaltsverzeichnis

Gremien und Beschlüsse. Einfach und digital.

Hunderte Unternehmen aller Größenordnungen nutzen Resolvio, um ihre Gremien zu managen, Beschlüsse zu fassen und so schneller bessere Entscheidungen zu fassen.

Ein Artikel von

Hubertus Scherbarth, LL.M, B.A
Hubertus Scherbarth, LL.M, B.A

Rechtsanwalt, Steuerberater

Hubertus ist Rechtsanwalt und Steuerberater mit dem Schwerpunkt im Gesellschaftsrecht und arbeitet daran, die Digitalisierung der Beschlussfassung voranzutreiben.

Hubertus hat sich schon mit Beschlüssen beschäftigt, als er beim Notar eine Ausbildung zum Notarfachangestellten machte. Derzeit promoviert er zu einem gesellschaftsrechtlichen Thema im Bereich der Managerhaftung.

Kurzvita:


2010 - Ausbildung in Notariat Koblenz zum Notarfachangestellten.

2010-2018 - Studium der Rechtswissenschaft und Europäischen Kunstgeschichte an den Universitäten Heidelberg, Sorbonne-Paris und Krakau, Erstes Juristisches Staatsexamen 2015 (Schwerpunkt Gesellschaftsrecht), Bachelorprüfung Kunstgeschichte 2018.

Seit 2015 - Arbeit an einer Dissertation auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts ("Haftung des fehlerhaften Organwalters").

2019-2021 - Referendariat am Oberlandesgericht Frankfurt am Main.

2020 - Steuerberaterprüfung.

2021 - Zweites Juristisches Staatsexamen.

Seit 2021 - Zugelassen als Rechtsanwalt und Steuerberater, Tätigkeit in überregionaler Anwaltskanzlei im Gesellschaftsrecht.

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