Ausschließung von Gesellschaftern (BGH, Urteil vom 28.04.1975, Az.: II ZR 16/73)
Leitsätze:
- Wenn die Ausschließungsklage gegen mehrere Gesellschafter gerichtet ist, genügt es, daß sie von den nicht auszuschließenden Gesellschaftern erhoben wird. Die Klage ist jedoch gegen alle verklagten Gesellschafter abzuweisen, wenn sie sich auch nur gegen einen von ihnen als unbegründet erweist.
- Bei Vorliegen eines Ausschließungsgrundes in der Person eines Gesellschafters kann der einzelne Gesellschafter auch ohne besondere gesellschaftsvertragliche Regelung verpflichtet sein, zu einer Ausschließungsklage seine Zustimmung zu geben.
Aus dem Tatbestand:
Die Klägerinnen und die Beklagte zu 3 sind Kommanditisten, die Beklagten zu 1 und 2 die persönlich haftenden Gesellschafter der K.-KG. Nach § 6 des Gesellschaftsvertrages sind die persönlich haftenden Gesellschafter nur in Gemeinschaft zur Geschäftsführung und Vertretung der Gesellschaft berechtigt.
Die Gesellschaft stand in Geschäftsverbindung mit S., über dessen Vermögen das Konkursverfahren und auch die Zwangsversteigerung der Grundstücke angeordnet wurde. Im Versteigerungstermin gab der Beklagte zu 2 – unter Vorlage einer notariellen Vollmacht der Beklagten zu 1 – für die Gesellschaft ein Gebot ab, auf das der Zuschlag erteilt wurde. Die Klägerinnen sind der Auffassung, der Beklagte zu 2 habe dadurch die ihm vertraglich gesetzten Grenzen überschritten. Außerdem warfen sie ihm vor, schon früher gegen seine Pflichten aus dem Gesellschaftsvertrag verstoßen zu haben: er habe nämlich S. Kredite in einer Höhe gewährt, die nicht zu verantworten gewesen sei. Der Beklagten zu 1 legen sie zur Last, sie habe durch ihr Verhalten – die Erteilung einer notariellen Vollmacht – die gesellschaftswidrigen Handlungen des Beklagten zu 2 ermöglicht.
Die Klägerinnen meinen, die beiden Beklagten seien als Mitgesellschafter nicht mehr tragbar. Sie haben gegen diese die Ausschließungsklage erhoben und begehren von der Beklagten zu 3 Zustimmung zur Ausschließungsklage. Die Vorinstanzen haben die Ausschließungsklage und die Zustimmungsklage abgewiesen. Die Revision der Klägerinnen blieb hinsichtlich der Ausschließungsklage ohne Erfolg; sie führte hinsichtlich der Zustimmungsklage zur Aufhebung und Zurückverweisung.
Aus den Gründen:
… I. I. Ein Gesellschafter kann durch gerichtliche Entscheidung nach §§ 140, 161 II HGB nur ausgeschlossen werden, wenn ein wichtiger Grund zur Auflösung der Gesellschaft i.S. des § 133 HGB gegeben ist und dieser Grund in der Person des auszuschließenden Gesellschafters liegt. Es entspricht hierbei den gefestigten Grundsätzen der Rechtsprechung des erkennenden Senats, daß bei der Anwendung des § 140 HGB eine besondere Zurückhaltung geboten ist und der Ausschluß eines Gesellschafters nur dann gerechtfertigt ist, wenn schwerwiegende Gründe in seiner Person den Fortbestand der Gesellschaft unter den bisherigen Gesellschaftern in entscheidender Weise berühren. Dabei ist eine umfassende Würdigung der gesamten Umstände des einzelnen Falles notwendig.
Der Senat hält in Übereinstimmung mit dem Berufungsgericht die gegen die Beklagte zu 1 gerichtete Ausschließungsklage für unbegründet. Der Beklagten zu 1 waren keine Tatsachen bekannt, die dazu führen konnten, gegen die Geschäfts- führungstätigkeit ihres Bruders Mißtrauen zu begründen. Selbst dann, wenn die behaupteten Vorwürfe gegen den Beklagten zu 2 zuträfen und die Beklagte zu 1 deshalb mitverantwortlich wäre, kann nicht angenommen werden, sie habe ihre Pflichten als Gesellschafterin und Geschäftsführerin so schwer verletzt, daß die Ausschließung aus der Gesellschaft gerechtfertigt wäre.
2. Das Berufungsgericht hat aus dem Umstand, daß die Ausschließungsklage gegen die Beklagte zu 1 keinen Erfolg hat, zutreffend geschlossen, daß auch die Ausschließungsklage gegen den Beklagten zu 2 abzuweisen ist.
Nach § 140 HGB ist der Antrag auf Ausschließung eines Gesellschafters grundsätzlich von allen übrigen Gesellschaftern zu stellen. Wenn – wie hier – die Ausschließungsklage gegen mehrere Gesellschafter gerichtet ist, genügt es zwar, daß sie von den nicht auszuschließenden Gesellschaftern erhoben wird. Erweist sich in einem solchen Falle aber die Klage gegen einen von ihnen als unbegründet, so ist sie nicht nur gegen diesen, sondern auch gegen den mitverklagten Gesellschafter abzuweisen, weil es dann – im Hinblick auf letzteren – an einem Antrag aller „übrigen Gesellschafter” fehlt (vgl. Ulmer, in: Großkomm. HGB, § 140 Anm. 33 m.w. Nachw.).
II. 1. Den Antrag der Klägerinnen, die Beklagte zu 3 zu verurteilen, der Ausschließung der Beklagten zu 1 und 2 zuzustimmen, hat das Berufungsgericht zu Recht abgewiesen, soweit er sich auf die Beklagte zu 1 bezieht. Seine Begründung, ein Anspruch auf Zustimmung setze voraus, daß die gegen die anderen Gesellschafter erhobenen Vorwürfe deren Ausschließung aus der Gesellschaft tatsächlich rechtfertigten, trifft aber nur für diese zu, nicht auch für den Beklagten zu 2. Das Berufungsgericht hat ausdrücklich offengelassen, ob Gründe vorliegen, die dessen Ausschließung rechtfertigen.
Soweit sich der Zustimmungsantrag auf den Beklagten zu 2 bezieht, kann das angefochtene Urteil auch nicht mit anderer Begründung gehalten werden:
… b) Dem Verlangen der Klägerinnen stehen nicht die oben angeführten Gründe entgegen, die dazu geführt haben, den Ausschließungsantrag gegen den Beklagten zu 2 als unbegründet anzusehen.
Im Unterschied zur Klage auf Ausschließung eines Gesellschafters genügt zur Zustimmungsklage der Antrag eines einzelnen Gesellschafters. Denn insoweit handelt es sich nicht um die Durchsetzung eines Rechts, das den Gesellschaftern nur gemeinschaftlich zusteht, sondern um einen – wie die nachstehenden Ausführungen zeigen – Individualanspruch, der sich aus dem Gesellschaftsvertrag ergibt und von jedem Gesellschafter – als Partner des Gesellschaftsvertrages – geltend gemacht werden kann. …
Es liegen auch keine Anhaltspunkte dafür vor, daß das Rechtsschutzbedürfnis für eine derartige Klage nicht mehr fortbesteht. Der Umstand allein, daß eine entsprechende Klage nunmehr – nachdem die Ausschließungsklage gegen die Beklagte zu 1 rechtskräftig abgewiesen ist – auch gegen diese zu erheben ist, kann dieses Interesse nicht beseitigen.
c) Es erhebt sich deshalb die vom Berufungsgericht aufgeworfene, aber nicht beantwortete Frage, ob und inwieweit der einzelne Gesellschafter auch ohne besondere gesellschaftsvertragliche Regelung verpflichtet ist, bei Vorliegen eines Ausschließungsgrundes in der Person eines Gesellschafters zu einer Klage nach § 140 HGB seine Zustimmung zu erteilen, und demgemäß ein entsprechendes Leistungsurteil mit der Wirkung ergehen kann, daß es die Mitwirkung an der Klage ersetzt.
In Rechtslehre und Rechtsprechung hat sich bisher keine einheitliche Meinung zu dieser Frage gebildet (vgl. hierzu insbes. Lindacher, Die Klage auf Ausschließung eines OHG- bzw. KG-Gesellschafters, Festschrift Paulick, 1973, S. 73 ff., insbes. Anm. 10 m.w. Nachw.; P. Ulmer, Gestaltungsklagen im Personalgesellschaftsrecht und notwendige Streitgenossenschaft, Festschrift Geßler, 1971, S. 269, 276 ff.). Eine Verpflichtung, am Ausschluß eines Mitgesellschafters mitzuwirken, wird vor allem mit folgender Begründung verneint: So sehr der Ausschluß eines Gesellschafters im Einzelfalle im Gesellschaftsinteresse liegen könne, so sei die offene Handelsgesellschaft oder Kommanditgesellschaft doch grundsätzlich vom unveränderten Personenbestand abhängig; wenn der Gesellschaftsvertrag insoweit nichts anderes bestimme, sei deshalb kein Gesellschafter zur Teilnahme an einer anders zusammengesetzten Gesellschaft verpflichtet; den übrigen Gesellschaftern bleibe die Möglichkeit, die Auflösung der Gesellschaft nach § 133 HGB herbeizuführen; unter ganz besonderen Umständen könne die Weigerung, an einer Ausschlußklage teilzunehmen, einen Grund zum Ausschluß des sich weigernden Gesellschafters bieten (so insbes. Hueck, Das Recht der OHG, 4. Aufl., § 29 Anm. I 2 c, S. 443). Dem kann nicht zugestimmt werden.
aa) Der erkennende Senat hat wiederholt ausgesprochen, daß eine Rechtspflicht, einer von den übrigen Gesellschaftern gewünschten Änderung des Gesellschaftsvertrages und damit der Grundlagen der Gesellschaft zuzustimmen, im allgemeinen zwar nicht besteht, aber auch nicht schlechthin verneint werden kann; sie kann sich für den einzelnen Gesellschafter aus der gesellschaftlichen Treuepflicht in besonders gelagerten Ausnahmefällen ergeben (BGHZ 44, 40 = NJW 1965, 1960; BGH, LM § 105 HGB Nr. 8; BGH, Urt. v. 17. 12. 1959 – II ZR 81/59 = NJW 1960, 434 = WM 1960, 105; BGH, Urt. v. 26. 1. 1961 – II ZR 240/59 = NJW 1961, 724 = WM 1961, 301). Bei der Beurteilung der Frage, ob der einzelne Gesellschafter bei der Ausschließung eines für die übrigen Gesellschafter untragbar gewordenen Mitgesellschafters mitzuwirken hat, kann nichts anderes gelten; denn auch hierbei geht es um eine Änderung der Grundlagen der Gesellschaft. Mit der Erwägung, daß die Verpflichtung des einzelnen Gesellschafters zur Förderung des Gesellschaftsunternehmens nur im Rahmen des Gesellschaftsvertrages besteht und daß der einzelne Gesellschafter bei seiner Entscheidung die eigenen Interessen berücksichtigen darf, kann deshalb die Frage nach der Zustimmungspflicht bei Ausschließungsklagen ebensowenig verneint werden wie bei sonstigen Änderungen des Gesellschaftsvertrages.
Im vorliegenden Falle folgt dies auch daraus, daß die Gesellschaft nicht uneingeschränkt auf die Zusammenarbeit aller Gesellschafter angelegt ist, der Gesellschaftsvertrag vielmehr vorsieht (§§ 13, 14), daß die Gesellschaft bei Ausscheiden eines Gesellschafters unter den übrigen Gesellschaftern fortgesetzt wird. Aus dem Umstand, daß sich der Personenbestand der Gesellschaft ändert, kann nicht ohne weiteres entnommen werden, daß eine solche Veränderung in jedem Falle schwerer wiegt als sonstige Änderungen des Gesellschaftsvertrages. Wenn und soweit dies tatsächlich der Fall sein sollte, wird dem bei der im Einzelfall notwendigen Abwägung der sich widerstreitenden Interessen Rechnung zu tragen sein. Für den vorliegenden Fall ist mit Rücksicht auf das Vorbringen der Parteien besonders darauf hinzuweisen, daß nach der Rechtsprechung des Senats für die Annahme einer Zustimmungsverpflichtung nicht allein der Umstand genügt, daß dem widerstrebenden Gesellschafter die Vertragsänderungen unter Berücksichtigung seiner Belange zuzumuten sind; es müssen vielmehr Umstände hinzutreten, die eine solche Änderung mit Rücksicht auf das bestehende Gesellschaftsverhältnis oder die bestehenden Rechtsbeziehungen der Gesellschafter untereinander – beispielsweise das Interesse an der Erhaltung gemeinsam geschaffener Werte – als dringend erforderlich erscheinen lassen. Dabei wird hier zugunsten des sich sperrenden Gesellschafters auch zu prüfen sein, ob ihm die Fortsetzung der Gesellschaft mit den verbleibenden Gesellschaftern zumutbar ist, wenn – wie im vorliegenden Falle – der geschäftsführende Gesellschafter ausscheiden soll und damit nicht nur Abfindungsansprüche des Ausscheidenden in Betracht kommen, sondern die übrigen Gesellschafter auch eine andere Regelung über die Geschäftsführungsbefugnis treffen müssen.
Es erscheint nicht gerechtfertigt, die Gesellschafter in Fällen dieser Art stets nur auf die Auflösungsklage nach § 133 HGB zu verweisen. Damit würde verlangt, daß die Gesellschafter das von ihnen – möglicherweise gegen den hemmenden Einfluß des Auszuschließenden – aufgebaute Unternehmen allein zu dem Zweck zerstören oder aufgeben müßten, um die Bindung an einen untragbar gewordenen Gesellschafter zu beenden. Im Regelfalle wird es auch nicht als angemessen anzusehen sein, gegen den widerstrebenden Gesellschafter mit der – mit schwerwiegenden Folgen verbundenen – Ausschließungsklage vorgehen zu müssen (vgl. Fischer, NJW 1954, 777, 780; zur Entziehung der Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis NJW 1959, 1057, 1060); es kann deshalb offenbleiben, ob dieser Weg im Ergebnis überhaupt Erfolg verspricht (vgl. hierzu Lindacher, Festschrift Paulick, S. 75).
Der Lösung Lindachers (S. 78), der das Gebundensein der Gesellschafter aus dem Treuegedanken im Sinne einer „Duldungspflicht” begreifen will und daraus besondere Rechtsfolgen ableitet, kann schon deshalb nicht gefolgt werden, weil hier vorausgesetzt ist, daß nach der Gesellschafter-Treuebindung dem einzelnen Gesellschafter nicht angesonnen werden könne, sich als Streitgenosse auf der Klägerseite zu beteiligen, oder „eine wie immer zu qualifizierende Zustimmungserklärung zum Klägerziel” abzugeben. Wie vorstehend dargelegt, kann die Treuepflicht weitergehen. Im übrigen führt auch die Duldungspflicht zum gleichen Ergebnis: Der widerstrebende Gesellschafter wird gezwungen, das Gesellschaftsverhältnis – unter Ausschluß des einen wichtigen Grund setzenden Mitgesellschafters – mit den verbleibenden Gesellschaftern fortzusetzen.
bb) Die Anwendung der aus dem gesellschaftlichen Treuegedanken abgeleiteten Zustimmungspflicht scheitert bei Ausschließungsklagen auch nicht an der Bestimmung des § 140 HGB. Die nach dieser Vorschrift erforderliche Beteiligung der übrigen Gesellschafter an der Ausschließungsklage wird hinsichtlich des widerstrebenden Gesellschafters dadurch ersetzt, daß er – sobald er rechtskräftig zur Zustimmung verurteilt ist (§ 894 ZPO) – die anderen Gesellschafter in die Lage versetzt, im Wege der Prozeßstandschaft für ihn zu klagen (vgl. P. Ulmer, Festschrift Geßler, S. 276; H. Westermann, Handbuch der Personengesellschaften, I 414, 220).
cc) Die Frage, ob die Klage auf Zustimmung mit der Ausschließungsklage verbunden werden kann (vgl. hierzu die von P. Ulmer, Festschrift Geßler, S. 282, erhobenen Bedenken) stellt sich nicht mehr, da im vorliegenden Verfahren nur noch die Mitwirkungsklage anhängig ist.
2. Nach alledem bedarf es einer Entscheidung darüber, ob die von den Klägerinnen dargelegten besonderen Umstände die Pflicht der Beklagten zu 3 begründen, der Ausschließung des Beklagten zu 2 zuzustimmen. Damit die hierfür notwendigen Feststellungen getroffen werden können, ist das Berufungsurteil insoweit aufzuheben und die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
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