Spontan, aber vollzählig: Vor- und Nachteile der Vollversammlung

Die Vollversammlung (auch „Universalversammlung“ genannt) ist die unkomplizierte Schwester der förmlichen Gesellschafterversammlung.

Ihr wesentlicher Unterschied ist: Bei der Vollversammlung darf auf die fehleranfälligen Formalien verzichtet werden.1

Hieraus ergeben sich große Vorteile gegenüber der förmlichen Versammlung. In vielen Situationen kann die Vollversammlung daher das Mittel der Wahl für die Beschlussfassung sein.

Doch auch die Vollversammlung hat Nachteile. Für agile Startups mit überregionalem Gesellschafterkreis kann die Beschlussfassung in der Vollversammlung beispielsweise ungeeignet sein.

Bevor wir uns die Vor- und Nachteile genauer anschauen, bleibt jedoch noch eins zu klären: Wann ist eine Vollversammlung überhaupt möglich?

Vor­aus­set­zun­gen der Voll­ver­samm­lung

Damit eine wirksame Beschlussfassung auf einer Vollversammlung möglich ist, müssen drei Voraussetzungen erfüllt sein:

  • Versammlung: Alle müssen sich gleichzeitig an einem Ort treffen und dort abstimmen.
  • Vollzähligkeit: Alle Gesellschafter müssen persönlich anwesend oder vertreten sein.
  • Einvernehmen: Alle Gesellschafter müssen damit einverstanden sein, dass eine Gesellschafterversammlung zum Zwecke der Beschlussfassung abgehalten wird.2

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3 Vor­tei­le der Voll­ver­samm­lung

Vor­teil 1: We­ni­ge For­ma­li­en las­sen Spon­ta­nei­tät zu

Da bei der Vollversammlung keine fristgemäße Einberufung der Gesellschafterversammlung per Übergabe-Einschreiben erforderlich ist und keine Tagesordnung rechtzeitig angekündigt werden muss, eignet sie sich hervorragend für eine spontane Beschlussfassung.

Vor­teil 2: Nach­träg­li­che Do­ku­men­ta­ti­on ein­stim­mi­ger Ent­schei­dun­gen

Außerdem kann die Vollversammlung auch dazu genutzt werden, wichtige Entscheidungen aus der Vergangenheit als Beschlüsse zu dokumentieren.

Vor­teil 3: Durch­spre­chen und Er­klä­ren im per­sön­li­chen Kon­takt

Der besondere Vorteil der Vollversammlung ist außerdem, dass man sich physisch an einem Ort trifft. Deswegen ist es besonders leicht, das Beschlussthema vor der Abstimmung eingehend durchzusprechen und zu erklären. Für einen wirksamen Vollversammlungsbeschluss genügt es nämlich, wenn erst im Rahmen der Versammlung Einigkeit über das Beschlussthema hergestellt worden ist.

Die 2 Nach­tei­le der Voll­ver­samm­lung

Je nach Beschlusssituation kann eine Vollversammlung trotz ihrer Vorteile ungeeignet sein, wenn die folgenden Nachteile greifen:

Nach­teil 1: Nicht für Mehr­heits­ent­schei­dun­gen ge­eig­net

Eine große Schwäche der Vollversammlung ist, dass sie nicht für ⚔️ Mehrheitsentscheidungen geeignet ist. Vielmehr müssen bei der Vollversammlung alle Gesellschafter damit einverstanden sein, dass die Versammlung zum Zwecke der Beschlussfassung abgehalten wird. Wenn über Fragen abzustimmen ist, die kontrovers oder potentiell streitig sind, ist die Beschlussfassung in der Vollversammlung daher regelmäßig nicht zu empfehlen.

Nach­teil 2: Alle ter­min­lich un­ter ei­nen Hut brin­gen

Wie die förmliche Gesellschafterversammlung ist auch die Vollversammlung eine besonders unflexible Art der Beschlussfassung, weil sie eine Versammlungerfordert. Hinzu kommt, dass die Vollversammlung auch noch Vollzähligkeit der Gesellschafter voraussetzt.

Alle Gesellschafter müssen einen Termin finden, um sich vollzählig an einem Ort zu treffen. Diese Voraussetzungen können einer wirksamen Beschlussfassungen häufig im Wege stehen, zum Beispiel:

  • Wenn einem Gesellschafter kurzfristig etwas dazwischenkommt, ist die Vollversammlung gescheitert.
  • Wenn ein Gesellschafter zu der Beschlussfrage noch Rat bei einem Berater einholen will, ist die Vollversammlung gescheitert.

In den beiden Beispielen können keine wirksamen Beschlüsse gefasst werden.

Ihre Unflexibilität macht die Vollversammlung vor allem dann zu einer schlechten Beschlussfassungsvariante, wenn es um komplizierte Fragen geht und die Gesellschafter viel unterwegs sind oder weit voneinander entfernt wohnen.

Die pas­sen­de Be­schluss­fas­sungs­art für jede Si­tua­ti­on

Dieser Artikel ist der dritte Teil einer Artikelserie zu den verschiedenen Arten der Beschlussfassung.

Im Laufe dieser Artikelserie werden wir uns die Vor- und Nachteile jeder Beschlussfassungsart genau anschauen. Am Ende dieser Serie wird jeder Gesellschafter und jeder Geschäftsführer (aber auch jeder Aufsichtsrats- oder Beiratsvorsitzende) genau wissen, wann er auf welche Beschlussfassungsart zurückgreift.

Hier der Überblick über die bereits erschienen und geplanten Artikel:

  1. Überblick: Die verschiedenen Arten der Beschlussfassung
  2. Förmliche Präsenzversammlung
  3. Vollversammlung (dieser Artikel)
  4. Umlaufbeschluss
  5. Virtuelle Versammlung
  6. Fazit: Das ist die richtige Beschlussfassungsart für dich

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Ein Artikel von

Hubertus Scherbarth, LL.M, B.A
Hubertus Scherbarth, LL.M, B.A

Rechtsanwalt, Steuerberater

Hubertus ist Rechtsanwalt und Steuerberater mit dem Schwerpunkt im Gesellschaftsrecht und arbeitet daran, die Digitalisierung der Beschlussfassung voranzutreiben.

Hubertus hat sich schon mit Beschlüssen beschäftigt, als er beim Notar eine Ausbildung zum Notarfachangestellten machte. Derzeit promoviert er zu einem gesellschaftsrechtlichen Thema im Bereich der Managerhaftung.

Kurzvita:


2010 - Ausbildung in Notariat Koblenz zum Notarfachangestellten.

2010-2018 - Studium der Rechtswissenschaft und Europäischen Kunstgeschichte an den Universitäten Heidelberg, Sorbonne-Paris und Krakau, Erstes Juristisches Staatsexamen 2015 (Schwerpunkt Gesellschaftsrecht), Bachelorprüfung Kunstgeschichte 2018.

Seit 2015 - Arbeit an einer Dissertation auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts ("Haftung des fehlerhaften Organwalters").

2019-2021 - Referendariat am Oberlandesgericht Frankfurt am Main.

2020 - Steuerberaterprüfung.

2021 - Zweites Juristisches Staatsexamen.

Seit 2021 - Zugelassen als Rechtsanwalt und Steuerberater, Tätigkeit in überregionaler Anwaltskanzlei im Gesellschaftsrecht.

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